Shorts at Moonlight online: Ein Blick ins Programm

Von Jenni Ellwanger, Elisa Vaughan, Naima Wagner

Am Mittwoch startete das Kurzfilmfestival Shorts at Moonlight. Die DFF-Redaktion hat nicht nur die diesjährige Online-Ausgabe unter die Lupe genommen, sondern auch einen ersten Blick ins Programm geworfen.

 

Naima über:

NASHORN IM GALOPP
DE 2013/2014. R: Erik Schmitt. 15 Min

NASHORN IM GALOPP, Quelle: SaM

NASHORN IM GALOPP ist ein fantasievoller Kurzfilm über Bruno, der auf der Suche nach der Seele der Großstadt allein durch Berlin zieht. Eines Tages begegnet er Vicky, einer jungen Frau, die mit derselben liebevollen Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge des Lebens durch die Großstadt wandert. Als er sie kennen- und lieben lernt, muss er erfahren, dass er nur eine Woche mit ihr hat, bevor sie die Stadt verlässt und weiterzieht. Das Besondere und Charmante an NASHORN IM GALOPP ist jedoch weniger die Geschichte als vielmehr die kreative Machart: Animationen, Perspektivtricks, Stopptrick verzaubern das großstädtische Treiben und bringen die Zuschauer/innen mit einfachen Mitteln zum Staunen. So werden unbelebte Objekte lebendig, aus zwei gleich großen Menschen Zwerg und Riese und aus Flugzeugen am Himmel kleine Papierflieger zwischen den Fingern. Ein schöner Film zum Auftakt!

SPIELPLATZ
DE 2015. R: Tanja Bubbel. 15 Min

SPIELPLATZ, Quelle: SaM

Mein Lieblingsfilm des ersten Filmprogramms der Shorts at Moonlight 2020 ist der Kurzfilm SPIELPLATZ – den ich tatsächlich bereits bei einer der Open-Air-Ausgaben des Festivals der vergangenen Jahre gesehen habe. SPIELPLATZ erzählt von dem Paar Anne und Hanno, das wir zuerst beim Autokauf begleiten. Schnell wird klar: Bei den beiden steht eine noch größere Frage im Raum, nämlich die nach Nachwuchs. Anne fühlt sich noch nicht bereit. Als sie den Sohn ihrer Freundin auf dem Spielplatz für eine halbe Stunde beaufsichtigen muss, findet sie sich plötzlich in der Rolle der Mutter wieder. Ehe sie sich versieht, fallen Sätze wie „Ich kann meinen Sohn ja wohl erziehen, wie ich will“ und es wird handgreiflich.

Im anschließenden Filmgespräch berichtet die Regisseurin und Drehbuchautorin Tanja Bubbel von der ursprünglichen Idee, mehrere kleine Geschichten über das Paar aus SPIELPLATZ zu erzählen. Tatsächlich hat sie diesen Plan noch nicht ganz aufgegeben: Als sie vor einer Weile einen ausrangierten Bademantel geschenkt bekam, dachte sie: Könnte das nicht auch Anne und Hanno passieren? Ich würde nur allzu gern sehen, wie diese Geschichte auf der Leinwand weiterginge.

Elisa über:

DAS GRÜNE SCHAF
DE 2008. R: Carsten Strauch. 4 Min

DAS GRÜNE SCHAF, Quelle: SaM

Quer durch die filmischen Formen geht es – Der Animationsfilm DAS GRÜNE SCHAF ist ebenfalls Teil von Programm Nummer 1. Die Familie El Sapo ist eine stolze Patchwork-Familie, bestehend aus dem Papa (einem Frosch), der Mutter (einem Schaf) und ihren Kindern. Der älteste Sohn Marcel hat grünes Fell und die Mutter sieht es als höchst problematisch an, dass er weder von den Schafen noch den Fröschen richtig akzeptiert wird. Der Vater steht dem ganzen ein wenig positiver gegenüber, er sagt, es wäre besser das grüne als das schwarze Schaf der Familie zu sein. Der vielfach ausgezeichnete Kurzfilm behandelt viele wichtige Themen auf eine Weise, die es auch Jüngeren erlaubt diese zu verstehen. Weiterhin zeigt es die Konfrontation mit verschiedensten Vorurteilen und dem Umgang der Familie damit.

Naima über:

DER AUFREISSER
DE 2007/2010/2012/2016. R: Steffen Weinert. 14 Min

DER AUFREISSER, Quelle: SaM

DER AUFREISSER schließt das erste der 15 Kurzfilmprogramme ab. Der Humor, der schon im Filmtitel anklingt, erscheint nicht mehr so ganz zeitgemäß. Ein Mann und eine Frau verbringen die Nacht gemeinsam. Am nächsten Morgen versucht sich der Mann, Olli, unbemerkt aus dem Staub zu machen, wird aber von der kleinen Tochter der Frau, Yvonne, aufgehalten, die fest entschlossen ist, ihn zum Bleiben zu überreden. Warum ein so offensichtlich kluges Mädchen überhaupt möchte, dass ein derart unsympathischer Kerl zum Frühstück und am besten sogar noch ein bisschen länger bleibt, leuchtet nicht so recht ein. Olli liebt sein Auto und führt ein Tagebuch, in dem er seine „Eroberungen“ mit Sternchen bewertet – ist also definitiv ein Typ, der heute wohl bei niemandem mehr punkten würde. Doch der eigentliche Star des Kurzfilms ist ohnehin die mit allen Wassern gewaschene und zugleich hinreißende Yvonne, die den „Aufreißer“ locker in die Tasche steckt.

Jenni über:

MOBILE
DE 2011. R: Verena Fels. 6 Min

MOBILE, Quelle: SaM

Programm 2 startet amüsant mit einer spielerischen Computeranimation rund um die “Bewohner/innen” eines Plüschtier-Mobiles und die Frage: Ist der eigene Platz im großen Ganzen wirklich festgelegt? Und was passiert, wenn man das Gefüge aus dem Gleichgewicht bringt? Da sind: ein grimmiger blauer Kläffer, ein apathisches Schweinchen, ein lärmendes Schafsdamen-Duo, ein winziger gelber Quietsche—- Drache? – auf der einen Seite des Mobiles. Und allein am anderen Ende: eine füllige rote Kuh, die sich nichts sehnlicher wünscht, als dem gelben Quietschtier näherzuhopsen. Was folgt, ist ein wildes Bäumchen-wechsel-Dich-Spiel im Stil der Kurzanimationen von Pixar und Co., denen man die Freude am Zusammenwirken von lustigen Geräuschen, Texturen und Bewegung anmerkt. Film ab!

AUSREISSER
DE 2005/2014. R: Ulrike Grote. 23 Min

DER AUSREISSER, Quelle: SaM

In Programm 3 haben wir es erneut mit einer zunächst eher klischeehaften Männerfigur zu tun: Der Protagonist ist ein ehrgeiziger Architekt, den eines Tages ein kleines Kind auf der Straße am Ärmel zupft, mit Papa anspricht und fortan nicht mehr von seiner Seite weicht – zur gründlichen Missstimmung de Mannes, der eigentlich zu einem gaaanz wichtigen Arbeitstermin muss (“Ich hasse Kinder”). Dass der Kleine trotz dessen Affenzahn auf dem Fahrrad mit dem Flüchtenden mithalten kann, macht ein wenig stutzig… und bald schon ahnen die Betrachtenden, dass es mehr mit dem Jungen auf sich hat. Eine überraschende Wendung am Schluss macht diesen mittellangen Film von 2004 zu einer ziemlich gelungen Mischung aus witzigem Schlagabtausch mit viel Situationskomik und Tiefgang – toll gespielt!

Elisa über:

THE LOST ONES
DE 2016. R: Dima Lochmann. 19 Min

THE LOST ONES, Quelle: SaM

Der Film aus Programm 5 beginnt mit dem Blick der Kamera auf eine junge, spärlich bekleidete Frau, die an ein Bett gefesselt ist. In Rückblenden erzählt sie von ihrer einsamen und traurigen Kindheit bis zu dem Augenblick, wo sie einen Deutschen trifft, mit dem sie zusammen in seine angebliche Heimat ziehen möchte. Sie ist fasziniert von seiner Stille, erhofft sich eine frohe Zukunft mit ihm und träumt von einem Studium. Was sie aber nicht weiß ist, dass er es gezielt auf sie abgesehen hat, um sie an einen deutschen Menschhändler zu verkaufen. Der Kurzfilm behandelt Themen wie Vertrauen, Verrat und dem Wunsch nach Anerkennung. Jedes Mal, wenn Lola ihrem deutschen Freund Fragen stellt, scheint er diese zu umgehen, indem er ihr Komplimente macht. Sie hat niemanden und durch ihren Wunsch nach Vertrautheit, scheint sie empfänglicher für seine Avancen zu sein. Dadurch, dass der Zuschauer dies sehen kann und sie selbst nicht, wirkt es umso grausamer, ihrer ganzen Geschichte zu folgen.

Jenni über:

WER TRÄGT DIE KOSTEN?
DE 2015. Regie: Daniel Nocke. 4 Min

WER TRÄGT DIE KOSTEN, Quelle: SaM

In den hinteren Gefilden von Programm 13 noch eine bissige Überraschung: Was unter dem Titel WER TRÄGT DIE KOSTEN wie dröge Sozialmoral klingen mag, stellt sich als simpel animierte, aber umso pointiertere Polit-Satire unter Raubtieren heraus. In der Talk-Runde der gar-nicht-so-neutralen Moderator-Hyäne geht es um die berühmte Frage der Hackordnung – alt wie die Höhlenmenschen, aber deshalb auch unverrückbar? Wenn es um den König der Tiere geht allemal. Denn schließlich, so die Löwen-Logik, profitieren doch alle Tiere unter der Sonne von den Resten, die er vom üppigen Mahl übriglässt? Das Zebra, das an den Löwen seine gesamte Sippe verloren hat und scheu-bedröppelt aus der Wäsche schaut, sieht das anders – doch werden dessen Gegenargumente ein ums andere Mal mit Machtgeste vom Tisch gefegt. Der Aasgeier ist zufrieden, solange er an der Beute beteiligt wird – und die Löwin, die zwar die ganze Arbeit leistet, aber mit ihren Statistiken auch nicht zu überzeugen weiß, steht am Ende noch immer auf der Seite der Räuber. So einfach ist das. Pech gehabt, Zebra!

… übrigens: NASHORN IM GALOPP hat mir auch wunderbar gefallen!