Siegfried Kracauer: Film und Gesellschaft

Was heißt es heute, ‚mit Kracauer‘ ins Kino zu gehen? Die zahlreichen Filmkritiken zum deutschen Kino der Weimarer Zeit, die Kracauer als Redakteur der Frankfurter Zeitung in den 1920er und frühen 1930er Jahren verfasste und auf deren Grundlage er im Exil seine Filmtheorie entwickelte, bilden bis in die Gegenwart einen Ansatz zur Untersuchung der massenkulturellen und zugleich politischen Bedeutung des Kinos.

Als Teil der Internationalen Siegfried Kracauer Konferenz, die vom 19. bis 21. Mai 2022 stattfindet, widmet sich eine begleitende Filmreihe drei Monate lang Kracauers feinem Sensorium für das Reflexionsmedium Film sowie den gesellschaftlichen Sehnsüchten und politischen Verhältnissen, die darin zum Ausdruck kommen.

Weitere Informationen: www.kracauer-konferenz.de

Filmstill aus Das Cabinet des Dr. Caligari. Ein älterer Mann steht vor einer Lichtquelle, die seinen gebeugten Schatten an die Wand hinter ihm wirft.

In Kooperation mit

Mittwoch  06.04.2022

18:00 Uhr

FRANTZ

Frankreich/Deutschland 2016. R: Francois Ozon. D: Pierre Niney, Paula Beer, Ernst Stötzner, Marie Gruber. 114 Min. DCP. OmU
Original version with German subtitles
Einführung und Gespräch: Juliana Müller (Universität Siegen), Jochen Schuff (Freie Universität Berlin)
Filmreihe: Siegfried Kracauer: Film und Gesellschaft

„Zusammen mit Fotografie ist Film die einzige Kunst, die ihr Rohmaterial mehr oder weniger intakt lässt", heißt es in Kracauers Theorie des Films (1960). Von unserem Erinnerungsvermögen kann dies nicht behauptet werden. FRANTZ, ein queeres Melodrama um einen von Schuld geplagten französischen Soldaten, hinterfragt die authentische Darstellung von Erinnerung und physischer wie emotionaler Bindung, indem der Film narrative und ästhetische Ebenen überlagert und so Distanz zum gezeigten Geschehen schafft.

Mittwoch  13.04.2022

18:00 Uhr

DAS CABINET DES DR. CALIGARI

Deutschland 1920. R: Robert Wiene. D: Werner Krauß, Conrad Veidt, Friedrich Fehér, Lil Dagover. 72 Min. DCP. Musikfassung
Einführung und Filmgespäch: Daniel Fairfax (Goethe-Universität Frankfurt), Nora Neuhaus (Goethe-Universität Frankfurt, Städelschule)
Filmreihe: Siegfried Kracauer: Film und Gesllschaft

Als eines der prominentesten Beispiele des deutschen Expressionismus im Kino war DAS CABINET DES DR. CALIGARI bereits zu seiner Zeit ein Meilenstein der Filmgeschichte. Jedoch wurde der Film auch verabscheut. Kracauers Buch Von Caligari zu Hitler (1947) verstärkte die Kontroversen um den Film, indem der Autor den Film als Musterbeispiel der erkrankten deutschen Seele und Vorzeichen des Nazismus kritisierte. Doch das Problem scheint komplizierter. Ausgehend von der Heterogenität des filmischen Stils und der fast unendlichen Mehrdeutigkeit der Erzählung lässt sich 'Caligari' mit und gegen Kracauer deuten.

Mittwoch  20.04.2022

18:00 Uhr

MAID IN MANHATTAN

Manhattan Love Story
USA 2002. R: Wayne Wang. D: Jennifer Lopez, Ralph Fiennes. 105 Min. Blu-ray. OmU
Original version with German subtitles
Einführung und Filmgespräch: Leonie Hunter, Almut Poppinga (Institut für Sozialforschung - IfS)
Filmreihe: Siegfried Kracauer: Film und Gesellschaft

„Kein Kitsch kann erfunden werden, den das Leben nicht überträfe“, stellt Siegfried Kracauer mit Blick auf die Filmindustrie seiner Zeit ideologiekritisch fest. Mit Kracauer MAID IN MANHATTAN anzusehen, in dem sich ein Zimmermädchen in einen aufstrebenden Politiker verliebt, offenbart die romantische Komödie als Spiegel der bestehenden Gesellschaft und die Illusion des Klassenaufstiegs als liberales Versprechen.