Niklaus Schilling zum 80. Geburtstag

Niklaus Schilling (1944–2016) war einer der vielseitigsten und eigenwilligsten deutschen Autorenfilmer: Häufig fungierte er gleichzeitig als Regisseur, Kameramann, Schnittmeister und Drehbuchautor, der auch seine Storyboards selbst entwarf und sich mit der Ausstattung befasste. Immer interessiert an technischen Entwicklungen und neuen Möglichkeiten, kreisen seine Filme um Grenzen verschiedener Art und deren Überschreitung. Das Kino des DFF zeigt fünf ausgewählte Filme, die in den letzten Jahren vom Filmarchiv des DFF – teils noch unter Beteiligung von Schilling selbst – digital restauriert wurden.

Dienstag  02.04.2024

18:00 Uhr

DIE VERTREIBUNG AUS DEM PARADIES

BRD 1977. R: Niklaus Schilling. D: Herb Andress, Elke Haltaufderheide, Ksenija Protic. 119 Min. DCP
Einführung: Thomas Worschech (DFF-Filmarchiv)
Filmreihe: Niklaus Schilling

Nach zwölf Jahren Auslandsaufenthalt kehrt der verkrachte Kleindarsteller Andy Pauls aus Italien nach Bayern zurück, wo seine Mutter im Sterben liegt. Mit seiner Schwester erbt er von ihr das heruntergekommene Fotogeschäft, gleichzeitig versucht er, als Schauspieler in der bundesdeutschen Film- und Fernsehproduktion Fuß zu fassen. Und dann gibt es da noch eine falsche Gräfin, die sich als Heiratsschwindlerin betätigt… DIE VERTREIBUNG AUS DEM PARADIES ist ganz sicher Niklaus Schillings Meisterwerk, getragen von einem unglaublichen Reichtum an filmischen Formen: Mühelos wechselt der Film vom Melodrama zur ironischen Satire, vom Thriller zur Kriminalkomödie und zurück, dabei immer stilsicher und von einer großen Liebe zum Kino getragen. Und wer könnte jemals diesen wirklich grandiosen Schluss vergessen?

Mittwoch  03.04.2024

18:00 Uhr

DER WILLI-BUSCH-REPORT

BRD 1979. R: Niklaus Schilling. D: Tilo Prückner, Dorothea Moritz, Kornelia Boje. 120 Min. DCP
Filmreihe: Niklaus Schilling

Ende der 1970er Jahre scheint die Zeit in Friedheim, einem Städtchen an der Grenze zur DDR stillzustehen, und die Werra-Post, das lokale Provinzblatt, steht kurz vor dem Ruin. In dieser Situation verfällt der Redakteur und Reporter Willi Busch der Idee, selbst die Sensationen zu generieren, über die er dann berichten kann. Es beginnt eher harmlos mit der Erfindung eines „Telefonmarders“ – Willi Busch schneidet selbst die Hörer in den Telefonzellen ab –, doch als er sich schließlich einen DDR-Spion ausdenkt, wachsen ihm die Ereignisse über den Kopf. DER WILLI-BUSCH-REPORT ist eine intelligente Tragikomödie, die gerade deshalb funktioniert, weil sie eine Fülle von Momentaufnahmen aus dem deutschen Alltagsleben aufgreift und damit die Handlung unterfüttert. In diesem Sinn ist der Film gerade auch heute ein aufschlussreiches historisches Zeitbild.

Dienstag  09.04.2024

18:00 Uhr

DER WESTEN LEUCHTET!

BRD 1982. R: Niklaus Schilling. D: Armin Mueller-Stahl, Beatrice Kessler, Melanie Tressler. 108 Min. DCP
Filmreihe: Niklaus Schilling

Zu Beginn des Films trifft ein Mann in München ein. Er ist Beamter der DDR-Staatssicherheit und hat den Auftrag, eine unsichere Mitarbeiterin zu überprüfen: Es besteht der Verdacht, dass sie eine Doppelagentin ist. Die Beziehung, die er zu ihr aufnimmt, verläuft dann allerdings in den kommenden vier Tagen, an denen der Film spielt, nicht so wie geplant, und ein doppelbödiges Spiel um Misstrauen und gegenseitige Anziehung beginnt. DER WESTEN LEUCHTET! ist ein ironisches Spiel mit den Versatzstücken des Agentengenres und der Beziehungskomödie. Dabei inszeniert Schilling souverän die Zutaten westlichen Lebensgefühls, die Glitzerwelt aus Neon, Reklame und Konsum, welcher der Ostagent zu erliegen droht. Bei Schilling leuchtet der Westen wirklich!

Dienstag  16.04.2024

18:00 Uhr

DEUTSCHFIEBER

Deutschland 1992. R: Niklaus Schilling. D: Tilo Prückner, Christiane Paul, Heike Schroetter. 125 Min. DCP
Filmreihe: Niklaus Schilling

Dreizehn Jahre nach DER WILLI-BUSCH-REPORT kehrte Niklaus Schilling nach Friedheim zurück und inszenierte mit DEUTSCHFIEBER eine irrwitzige Farce zur gerade vollzogenen deutschen Einheit: Im kleinen Grenzstädtchen wird Willi Busch durch die Wiedervereinigung aus seinem Ruhestand aufgeschreckt. Eine uneheliche Tochter aus der DDR, seine Schwester und eine ehemalige Geliebte kehren überraschend nach Friedheim zurück. Gemeinsam lassen die Frauen die von Willi einst herausgegebene Werra-Post wieder aufleben – doch diesmal müssen die Schlagzeilen nicht erfunden werden. Willi Busch will es noch einmal wissen und lässt sich als Präsidentschaftskandidat für eine freie „Werra-Republik“ aufstellen. DEUTSCHFIEBER ist der Versuch, mit einer überdrehten Geschichte einer überdrehten realen Situation beizukommen.

Dienstag  23.04.2024

18:00 Uhr

RHEINGOLD

BRD 1978. R: Niklaus Schilling. D: Elke Haltaufderheide, Rüdiger Kirschstein, Gunther Malzacher. 91 Min. DCP
Einführung: Karl Prümm (Autor von Ein notorischer Grenzverletzer – Niklaus Schilling und seine Filme)
Filmreihe: Niklaus Schilling

Regelmäßig fährt Elisabeth mit dem „Rheingold“-Express von ihrer Heimatstadt Düsseldorf nach Genf, wo ihr Mann im diplomatischen Dienst beschäftigt ist. Auf einer dieser Fahrten begegnet sie ihrem Jugendfreund Wolfgang wieder, welcher dort als Angestellter der Speisewagengesellschaft tätig ist. Beide verlieben sich heftig ineinander, und fortan hängen ihre Rendezvous vom Fahrplan ab. Doch der eifersüchtige Ehemann kommt dahinter… RHEINGOLD ist nicht nur ein stilreines Melodrama um große Gefühle, sondern auch eine inszenatorisch-logistische Meisterleistung: Die Dreharbeiten fanden in einem von der Deutschen Bundesbahn angemieteten Abteilwaggon statt, der an den TEE „Rheingold“ angehängt wurde; der Dreh verschiedener Szenen musste dabei sekundengenau mit Außenansichten, etwa bestimmten Brücken, synchronisiert werden.