Durational Cinemas
(Tools for Troubled Times)

Zeiterfahrung im Kino

„Normalerweise sagen die Leute als Kompliment, wenn sie aus einem Film kommen: ‚Das war fantastisch, wir haben gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen ist‘. Ich persönlich denke aber, dass sie in diesen Fällen um zwei Stunden beraubt worden sind.“ (Chantal Akerman)

Begleitend zu einem Seminar, das der französisch-amerikanische Filmemacher und Künstler Éric Baudelaire im Sommer an der Städelschule ausrichtet, präsentiert das Kino des DFF im Mai zwei Werke, die sich auf verschiedene Art und Weise mit der Erfahrung von Zeit und der Darstellung von historischen Prozessen sowie Umwälzungen beschäftigen. Im Juni wird Baudelaire zum Abschluss des Seminars seinen aktuellen Film UNE FLEUR À LA BOUCHE (A Flower in the Mouth, 2022) im Gespräch mit der Schnittmeisterin Claire Atherton vorstellen.

Mit freundlicher Unterstützung von Städelschule Portikus e.V. und der Klasse von Hassan Khan.

In Kooperation mit:

Mittwoch  22.05.2024

17:00 Uhr

LE FOND DE L’AIR EST ROUGE

Rot ist die blaue Luft
Frankreich 1977. R: Chris Marker. Dokumentarfilm. 180 Min. DCP. OmeU
Original version with English subtitles
Filmreihe: Durational Cinemas

Studentische Proteste um 1968, Gewerkschaftskämpfe, der Prager Frühling, Fidel Castros Kuba, Salvador Allendes Aufstieg in Chile, Maos Kulturrevolution. In LE FOND DE L’AIR EST ROUGE blickt Chris Marker assoziativ und mithilfe von offiziellem, privatem und persönlichem Archivmaterial auf zentrale politische Bewegungen und Kämpfe der internationalen Linken seiner Zeit. Der Regisseur interessiert sich dabei für verschiedene Facetten der medialen Darstellung von Geschichte und fragt, inwiefern Bilder im Kino und Fernsehen überhaupt historische Prozesse erinnern, verdrängen oder darstellen können. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat Marker seinen ursprünglich vierstündigen Film um eine Stunde gekürzt – die einzige heute erhaltene Fassung des Films.

Samstag  25.05.2024

11:15 Uhr

TIE XI QU (TEIL 1)

West of the Tracks
China 2002. R: Wang Bing. Dokumentarfilm. 551 Min. DCP. OmeU
Teil 1, 335 Min. mit Pause
Original version with English subtitles
Filmreihe: Durational Cinemas

In drei Kapiteln dokumentiert Wang Bing in TIE XI QU den Niedergang des Industrieviertels Tie Xi in der chinesischen Stadt Shenyang. Zur Zeit des Kommunismus galt der Bezirk als Herzstück der staatlich organisierten Schwerindustrie und symbolisierte für viele der dort arbeitenden Menschen die Hoffnung auf ökonomischen und gesellschaftlichen Fortschritt. Um 2000 ist hiervon wenig geblieben: Zu sehen sind marode Fabrikhallen und aufgebrauchte Existenzen, die der Regisseur, der sich bereits mit seinem Regiedebüt als eine der eigenständigen und radikalsten Stimmen des gegenwärtigen Dokumentarfilms etablieren konnte, mit Geduld, Mitgefühl und Beobachtungen von bemerkenswerter Intensität einfängt. Mit einer Laufzeit von mehr als neun Stunden gelingt es dem Film dabei, das Vergehen der Zeit und den Lauf der Geschichte beinahe körperlich spürbar werden zu lassen.

Sonntag  26.05.2024

11:00 Uhr

TIE XI QU (TEIL 2)

West of the Tracks
China 2002. R: Wang Bing. Dokumentarfilm. 551 Min. DCP. OmeU
Teil 2, 216 Min.
Original version with English subtitles
Filmreihe: Durational Cinemas

In drei Kapiteln dokumentiert Wang Bing in TIE XI QU den Niedergang des Industrieviertels Tie Xi in der chinesischen Stadt Shenyang. Zur Zeit des Kommunismus galt der Bezirk als Herzstück der staatlich organisierten Schwerindustrie und symbolisierte für viele der dort arbeitenden Menschen die Hoffnung auf ökonomischen und gesellschaftlichen Fortschritt. Um 2000 ist hiervon wenig geblieben: Zu sehen sind marode Fabrikhallen und aufgebrauchte Existenzen, die der Regisseur, der sich bereits mit seinem Regiedebüt als eine der eigenständigen und radikalsten Stimmen des gegenwärtigen Dokumentarfilms etablieren konnte, mit Geduld, Mitgefühl und Beobachtungen von bemerkenswerter Intensität einfängt. Mit einer Laufzeit von mehr als neun Stunden gelingt es dem Film dabei, das Vergehen der Zeit und den Lauf der Geschichte beinahe körperlich spürbar werden zu lassen.