Galerieausstellung: Alles über Rosemarie

Visual

29.7.2008 bis 4.1.2009

Vor 50 Jahren sorgte der Kinostart von DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (BRD 1958) für Aufsehen. Rolf Thieles Verfilmung der Geschichte von Rosemarie Nitribitt (Nadja Tiller), die als glamouröse Prostituierte in der Nachkriegszeit zu Reichtum kam und schließlich ermordet wurde, spielt in Frankfurt und wurde zum Teil an Originalschauplätzen gedreht.

Die Galerieausstellung zeigt vom 29. Juli bis 4. Januar 2009 eine Chronik der Entstehung des Films und zeichnet seine spannungsreiche Rezeptionsgeschichte nach. Grundlage für die Ausstellung bildet der umfangreiche Nachlass von Luggi Waldleitner (1913-1998), der zu den erfolgreichsten Produzenten der Nachkriegszeit zählt.

Filmstill
Interview mit Nadja Tiller

Im Frankfurter Hof schloss sich 50 Jahre nach der Kinopremiere für Nadja Tiller ein Kreis. „Natürlich ist DAS MÄDCHEN ROSEMARIE mein bekanntester und erfolgreichster Film“, sagte die Schauspielerin im Gespräch mit Hans-Peter Reichmann und Horst Martin.

INTERVIEW MIT NADJA TILLER
zum Film DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (BRD 1958) im Deutschen Filmmuseum (September 2008)

Im Frankfurter Hof durfte seinerzeit nicht gedreht werden, und der Name des Hotels durfte im Film nicht auftauchen. Wie ist es nun, 50 Jahre später, hier zu sein?
Natürlich ist Rosemarie mein bekanntester und erfolgreichster Film. Deshalb bin ich froh, die Würdigung mit einer Ausstellung nach so langer Zeit erleben zu dürfen. Über die Auseinandersetzung um den Frankfurter Hof habe ich mir damals keine Gedanken gemacht. Ich habe hier sehr gut gewohnt, und die Pressekonferenz fand damals auch hier statt. Im Rückblick wäre es auch gar nicht möglich gewesen, während des laufenden Betriebes in dem Hotel zu drehen. Da hätte man die Gäste ausquartieren müssen. Letztlich war es sowohl für das Hotel, das nicht wissen konnte wie der Film wird, wie auch für uns besser, dass wir die Hotel-Szenen im Berliner Studio von Artur Brauner gedreht haben.

Die Rolle der Rosemarie war für Sie natürlich auch ein Wagnis. Wussten Sie, worauf Sie sich einlassen?
Da ich zuvor mit Jean Gabin Le Desordre et la nuit (Im Mantel der Nacht, 1958) – übrigens einer meiner Lieblingsfilme – in Frankreich gedreht habe, wusste ich im Vorfeld nicht, was in Deutschland los war. Mir gefiel einfach das Drehbuch, deshalb habe ich gerne zugesagt. Auch die Warnung von zwei befreundeten Journalisten, dass die angebotene Rolle der Rosemarie Nitribitt das Aus für meine Karriere bedeuten könnte, hat mich nicht umstimmen können. Die ganze Ablehnung haben wir beim Drehen zu spüren bekommen.

Wie ging Produzent Luggi Waldleitner mit den massiven Widerständen um, war er ständig am Set?
Nicht immer, aber er war dabei. Er musste auch oft kommen und ein bisschen Notbremse spielen, wenn wir wieder Schwierigkeiten hatten. Das hat er mit einer Mischung aus Sturheit, List und Charme auch sehr geschickt gemacht.

Wann war auch für Sie klar, dass dieser Film ein Erfolg werden würde?
Das war nach dem Riesenerfolg in Venedig klar. Ich werde nie vergessen, wie wir erst alle sehr aufgeregt im Festspielhaus saßen, der Saal nach dem Film tobte, und die Jungs später durchs Haus zogen und wie im Film riefen: „Wir haben den Kanal, wir haben den Kanal, wir haben den Kanal noch lange nicht voll.“

Was sagt die begeisterte Reaktion des Auslands über die Sicht auf das Deutschland der 50er Jahre?
Deutschland war damals nicht so angesehen wie heute. Deshalb haben Autor Kuby und Regisseur Thiele das Land auf die Schippe genommen. Die Geschichte der Hure trat dabei in den Hintergrund, es ging eigentlich um das spießige Deutschland der Adenauer-Ära.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Gar nicht. Ich habe den Text auswendig gelernt. (lacht)

Sie blicken auf eine erfolgreiche Karriere zurück. Was unterscheidet Sie von heutigen Schauspielerinnen?
Für die heutige Generation ist es wesentlich leichter, international zu arbeiten. Wenn man heute eine Rolle aus Italien angeboten bekommt, setzt man sich in die Maschine, fliegt hin, engagiert einen Dolmetscher und nimmt Kontakt auf. Ich konnte damals kein Italienisch und mich deshalb nicht überwinden, drei sehr interessante Rollen anzunehmen. Das war sicher ein Fehler, aber inzwischen ist es so lange her…

Darf man fragen, welche drei Rollen das waren?
Das waren Rocco und seine Brüder, La Dolce Vita und La Notte. Ganz gut, nicht? Drei auf einen Schlag…

Visconti, Fellini und Antonioni!
Ja. Aber ich bin darüber hinweg. (lacht)

Aber wer kann von sich sagen, dass er in diesen drei Filmen hätte mitspielen können – da muss man ja erst mal hinkommen. Gibt es denn noch eine Rolle, die Sie spielen möchten?
Nein. Darüber habe ich schon lange nicht mehr nachgedacht. Ich habe sehr schöne Rollen gespielt, auch klassische Rollen. Jetzt blicke ich geruhsam auf das Feedback meiner Karriere zurück.

Alles über Rosemarie
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Interview mit Christian Setzepfandt

Wie kaum ein anderer kennt Christian Setzepfandt die tragische Geschichte der Frankfurter Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt – deren Spuren seine Stadtführungen folgen. Im Interview erzählte er, warum das Interesse bis heute nicht nachgelassen hat.

Interview mit Christian Setzepfandt

Was macht – mehr als 50 Jahre später – das ungebrochene Interesse an dem Fall aus?
Medien und Publikum interessieren sich für die aufregende Mischung aus Skandal, Sexualität, ungeklärtem Verbrechen und Mythos. Faszinierend wirkt auch heute noch die Verruchtheit der Nitribitt, die aus ganz einfachen Verhältnissen stammte, mit ihren Dienstleistungen gutes Geld verdiente und es in die deutsche High Society schaffte. Und natürlich die fünf Verfilmungen des Stoffes.

Was zeichnet die Verfilmung Das Mädchen Rosemarie aus?
Sie nimmt die Atmosphäre der fünfziger Jahre an und greift die Verbindungen in Gesellschaft und Politik auf großartige Weise auf. Dabei belässt es der Film gekonnt, aber effektiv, bei Vermutungen. Es lohnt übrigens auch, eine weitere zeitgenössische Verfilmung zu sehen, die genauer auf die Chronologie des Falle eingeht: Die Wahrheit über Rosemarie (1959).

Rosemarie Nitribitt ist zweifellos die bekannteste Prostituierte der Bundesrepublik gewesen. Was machte sie besonders?
Sie nahm auch als Prostituierte ihr Leben selbst in die Hand und ließ sich nicht – wie in dem Gewerbe üblich – von Männern fremd bestimmen. Ihre bürgerliche und damenhafte Erscheinung unterschied sie zudem. „Sie hatte gar nichts Nuttiges“, schrieb eine Frankfurter Journalistin. Das Verruchte spürte man dennoch. Und: Was sie an Sexualität versprach, hat sie auch eingehalten.

Es wirkt, als habe Rosemarie Nitribitt ihre Karriere gezielt entwickelt.
Sie arbeitete nicht nur im damenhaften Auftreten konsequent an sich, sie nahm auch Französisch-Unterricht und machte eine Mannequin-Schulung. Ihre Mannequin-
Karte, die sie anfertigen ließ, wirkt eher wie die Set-Karte einer Schauspielerin. Konkretes über etwaige Schauspiel-Pläne sind aber nicht bekannt.

Zur Zeit Rosemaries war Frankfurt noch nicht „Mainhattan“. Was ist von den historischen Schauplätzen erhalten?
Erstaunlich viel: Angefangen vom Hauptbahnhof über die ersten Hotels und Bordelle, in denen sie angeschafft hat, bis zu den Häusern des Juweliers oder Metzgers, die in dem Fall wichtige Rollen spielen. Auch der Frankfurter Hof und die Mercedes- Benz-Niederlassung am Kaiserplatz. Und natürlich das typische 1950er-Jahre-Appartmenthaus am Eschersheimer Turm: Man sieht von unten das Fenster ihrer Wohnung, in dem sie am Tag des Mordes zum letzten Mal fotografiert wurde. Das Gebäude gegenüber der Frankfurter Rundschau, von dem aus Fotograf Kurt Weiner das bekannte Bild machte, musste einem Hochhaus- Projekt weichen.

Seit Jahren recherchieren Sie für die Führungen. Ist irgendwann einmal alles dazu gesagt?
In einer zweistündigen Führung kann man nicht alles erzählen, deshalb setze ich je nach Gruppe und Interessen unterschiedliche Schwerpunkte. Ich bekomme immer noch neue Informationen aus Gesprächen mit Zeitzeugen, von denen nur noch wenige leben. Im vergangenen Jahr führte ich beispielsweise ein interessantes Gespräch mit dem mittlerweile verstorbenen Leiter der Mordkommission. Die unglaublichen Pannen bei den Ermittlungen liefern viel Stoff für Anekdoten.

Ist es also zu früh, um sich mit der ungeklärten Fragen nach dem Mörder – oder vielleicht einer Mörderin – zufriedenzugeben?
Vielleicht tauchen in Briefen oder Nachlässen noch neue Hinweise auf. Man kann gespannt bleiben.

Das Interview führte Horst Martin.

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