von Friederike Hirth
„Und ein Typ wie Du hat für Liebe keinen Sinn / Und Du trittst mit Füßen sie“ singt Heidi Brühl in der Exposition von Christoph Hochhäuslers neuem Film BIS ANS ENDE DER NACHT. Dabei wird eine kleine Wohnung renoviert – schemenhaft sind Handwerker zu erkennen, die die Wände mit Farbe verschönern und den Raum mit Möbelstücken füllen.
Die Wohnung ist allerdings nur provisorisch – wahrscheinlich hat sie die Polizei für die verdeckten Ermittler:innen Robert (Timocin Ziegler) und Leni (Thea Ehre) gemietet. Letztere hat einem Deal zugestimmt, um auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen zu werden, in dem sie wegen Drogenhandels einsaß. Dass sie vorzeitig herauskam, verdankt sie hauptsächlich Robert – die beiden haben eine gemeinsame Geschichte, wie sich bald herausstellt: Robert, der Polizist und ehemalige Koch, hat Leni geliebt, als sie noch als Mann lebte. Nun sollen die beiden als vermeintliches Paar Kontakt zu dem früheren DJ und jetzigen Clubbesitzer Victor Arth (Michael Sideris) aufnehmen, der eine illegale Drogenhandelsplattform im Internet unterhalten soll und für den Leni vor ihrer Transition als Tontechniker gearbeitet hat. Doch schnell wird die inszenierte Liebschaft kompliziert. Robert ist sich seiner Gefühle nicht sicher, Wunsch und Wirklichkeit verschwimmen. Für Leni ist die Situation sehr viel eindeutiger: Sollte die Mission scheitern, muss sie zurück in den Männerknast.
Beim ersten Treffen mit der Zielperson und dessen Freundin Nicola (Iona Iacob) gehen die Erzählungen des vermeintlichen Paares von ihrem ersten Kennenlernen ziemlich auseinander. Doch es erweist sich, dass Dichtung und Wahrheit, Identität und Täuschung in den Narrativen der Figuren eng beieinanderliegen. Wer wen darstellt, wie die Charaktere zueinanderstehen und was sie verbindet – all das wird zur Auslegungssache, zum reizvollen Spiel der Vermutungen und Verdrehungen.
Zu Beginn steht Viktor dem augenscheinlichen Paar skeptisch gegenüber, entwickelt jedoch im Laufe des Filmes sogar so etwas wie freundschaftliche Gefühle. Doch je erfolgreicher sich der Auftrag zu gestalten scheint, desto schwieriger wird die Beziehung zwischen Leni und Robert. Alte Spannungen und unterdrückte Gefühle flammen wieder auf, was die Fragilität aller Vereinbarungen deutlich macht. Zudem wird schnell klar, dass Robert Probleme mit Lenis Geschlechtsidentität hat.
Roberts Gefühle führen ihn letztendlich in den Untergang, wie in einem guten Film noir, auf den sich BIS ANS ENDE DER NACHT durchaus bezieht. In diesem Sinne zeigt Hochhäusler keine bekannten Ansichten von Frankfurt, wo der Film spielt, sondern nächtliche Nebenstraßen und unscheinbare Plätze. Unterstrichen wird diese Atmosphäre von einem herrlich melancholischen Soundtrack: Chansons und Schlager von Esther Ofarim, Heidi Brühl und Hildegard Knef vermitteln eine Atmosphäre träumerischer Qual und der Sehnsucht nach Glanz.
BIS ANS ENDE DER NACHT feierte seine Weltpremiere bei der diesjährigen 73. Berlinale, Thea Ehre wurde dort für ihre schauspielerische Leistung mit dem Silbernen Bären als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Aktuell im Kino.
