Filmblog // In Memoriam Peter Sickert

Von Hans-Peter Reichmann

Peter Sickert? „Tut mir leid, kenn ich nicht, noch nie von gehört …“. Eine Antwort, die ich in der vergangenen Woche von allen Angesprochenen erhielt. Wieder so ein Name, an den sich nur noch wenige erinnern. Im weiteren Verlauf des Gesprächs, wenn wir über die Titel der Filme sprachen, zu denen Peter und Margrit Sickert zwischen Mitte der 1960er bis Anfang der 1990er Jahre Plakate gestalteten, war die Kenntnis groß: „Klar, kenne ich das Motiv, das ist doch ein Klassiker.“

SICKERTS, dieses Label findet sich auf den Affichen zu 158 Filmen, meist für Titel des Neuen Deutschen Films, aber auch internationaler Produktionen, viele davon mit Kultcharakter. Diejenigen, die in jenen Jahren (noch) ins Kino gingen, haben sich die Plakate gerne auch zu Hause an die Wände gehängt, darunter etwa: DER JUNGE TÖRLESS | DIE FLAMBIERTE FRAU | NORDSEE IST MORDSEE | MESSER IM KOPF | MUTTER KÜSTERS FAHRT ZUM HIMMEL | IM LAUF DER ZEIT | MALINA | ASSAULT | IN GEFAHR UND GRÖSSTER NOT BRINGT DER MITTELWEG DEN TOD | RAN | JEDER FÜR SICH UND GOTT GEGEN ALLE | HOPE AND GLORY | ZUR SACHE SCHÄTZCHEN | DIE KLAPPERSCHLANGE … verbunden mit großen Regienamen wie John Boorman, Francis Ford Coppola, Milos Forman, Akira Kurosawa, David Lynch, Louis Malle, Roman Polanski, Ettore Scola und natürlich Achternbusch, Bohm, Fassbinder, Geißendörfer, Hauff, Herzog, Kluge, Reitz, Schaaf, Schlöndorff, Schroeter, Spils, Syberberg, Van Ackeren, Wenders.

Wim Wenders sagte 1997 in seiner Laudatio zur Verleihung des Europäischen Kulturpreises an die Sickerts: „…beide haben das Plakatemachen hier in Deutschland zu einer hohen Kunst gebracht.“

Auch wenn einige der Filme aus der heutigen Erinnerung verschwunden sind oder auf Bestenlisten nicht (mehr) auftauchen, die Plakate der Sickerts haben eine zeitüberdauernde Bedeutung in der Filmplakatgestaltung.

Nehmen wir das Plakat zu DER AMERIKANISCHE FREUND (BRD/Frankreich 1977. R: Wim Wenders): Dennis Hopper und Bruno Ganz – eine in Neonlicht getauchte, rätselhafte, nächtliche Großstadt-Szenerie … ein Kinobild, egal, ob es so im Film zu sehen ist, einfach zum Träumen. Oder das Plakat zu ALBERT – WARUM? (BRD 1978. R: Josef Rödl): In Schwarzweiß blickt uns der Hauptdarsteller dieser dörflichen Fallstudie an, rätselhaft, beeindruckend, poetisch. Auch die kongeniale Interpretation von Fassbinders Verfilmung des Fontane-Romans. Hanna Schygulla in EFFI BRIEST [BRD 1974]: das Fotoporträt weichgezeichnet, idealisierend, vornehm blass, engelhaft zart, verklärt. Darunter der Titel in großen altdeutschen Buchstaben und darunter, gestalterisch abgesetzt, der Cast, wie ein historischer Theaterzettel. Alles zusammen verweist auf den beworbenen Film als hohe Kunst. Ein letztes Beispiel: RAN (Japan 1985. R: Akira Kurosawa). Das deutsche Plakat stammt aus dem Jahre 1986. Sickert setzte das japanische Schriftzeichen des Titels in Blutrot als eine Art Menetekel an den Himmel über dem Schlachtengemetzel.

Peter Sickert, geboren am 22. September 1941, ist, wie wir erst jetzt erfahren haben, am 1. Oktober 2022 in München gestorben. Lange Jahre lebte er mit seiner Frau zurückgezogen auf Lanzarote.

Die Filmplakate des Grafikerpaares Margrit und Peter Sickert bilden eine über mehr als 25 Jahre reichende Chronik zum deutschen Kino jener Jahre und sie werden die Zeit überdauern.