How black is your forest?

„Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen; nicht der Bäume wegen, obgleich man nicht überall solch unermeßliche Menge herrlich aufgeschossener Tannen findet, sondern wegen der Leute, die sich von den andern Menschen ringsumher merkwürdig unterscheiden.“ Wilhelm Hauff, Das kalte Herz (1828)

Peter und sein Vater Heiner schauen nicht ein wenig in den Schwarzwald hinein, sie sind mittendrin und dort gefangen, im Kältewinter des Jahres 1946. Tatsächlich unterscheiden sie sich mit ihren akkurat gescheitelten Haaren und ihrem geschliffenen Hochdeutsch, ihren Französischkenntnissen und ihren unversehrten Händen sehr von der Bauernfamilie, bei der sie im Schneesturm Unterschlupf gefunden haben. Im Lauf des Films SCHNEEBLIND (DE 2017, R: Arto Sebastian) weicht die Trennlinie zwischen den Schwarzwälder/innen und den „Eindringlingen“ auf. Peter „kann guat mit de Viecher“ und bekommt von der Arbeit auf dem Hof erste Schwielen an den Händen, die etwa gleichaltrige Sofie (von den Dialektsprechenden standesgemäß auf der ersten Silbe betont, von den „Hochdeutschen“ auf der letzten) bekommt Sehnsucht nach der großen weiten Welt – und wenn es nur Zürich wäre. Das Bauernhaus ist düster, eng, erdrückend. Draußen die schwarzen Bäume, der weiße Schneesturm, drinnen die rußig-dunklen Holzzimmer, dürftig erhellt von Fackeln und Kerzen. Ein Farbfilm in Sepia und Schwarzweiß.

Flächig schwarzweiß auch die Hintergrundprojektion auf der Festivalbühne an der Freiburger Messe, als alt-J ihr Lied „Pleader“ anstimmen. Die Stimmung ist schaurig-schön, Keyboard und Gitarre schicken einen unheilverheißenden Klangteppich Richtung Feldberg und in einem geradezu sakralen Chorus fragen die beiden Sänger immer wieder: „How black, how black is your forest?“*

Der Schwarzwald meiner Söhne ist nicht besonders schwarz, er ist nicht düster oder unheimlich, er ist leicht und grün. Sie baden im Bach, bauen Hütten, essen Heidelbeeren bis ihre Münder blau verschmiert sind, sie schnitzen Pfeile und verfolgen die Ameisen auf dem Waldboden. Auf dem Campingplatz am Titisee ist es dann so weit. Aus meinem größeren Sohn bricht sich die Liebe zur Natur und zum Wald in all ihrer kindlichen Naivität Bahn: „Wo Bäume sind, ist alles gut!“

* Im Original lautet diese Liedzeile „How green was my valley“ und bezieht sich auf das gleichnamige Buch von  Richard Llewelyn (1939)

Titelbild: pixabay

Von Sarah Hujer

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