Sergej Paradžanov

Zu den originellsten und künstlerisch eigenwilligsten Filmschaffenden des 20. Jahrhunderts gehört sicherlich Sergej Paradžanov (georgisch: Sergo Paradžanovi, 1924–1990), der im Januar 100 Jahre alt geworden wäre. Als Sohn armenischer Eltern in Georgiens Hauptstadt Tiflis geboren und aufgewachsen, studierte er zunächst Musik und Tanz, bevor er ans Staatliche Filminstitut in Moskau wechselte. Zu seinen Lehrern dort gehörte unter anderen Oleksandr Dovženko. Seine Filme realisierte er ab 1954 in der Ukraine, in Armenien, in Georgien und in Aserbaidschan.

Nach dem internationalen Erfolg von TINI ZABUTYH PREDKIV (Schatten vergessener Ahnen, 1965) geriet Paradžanov zunehmend in Konflikt mit der sowjetischen Kulturbürokratie; sie behinderte und zensierte seine Filme oder untersagte ihre Realisierung ganz. 1974 wurde er wegen verschiedener angeblicher Delikte, unter anderem wegen Homosexualität, zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt. Fünfzehn Jahre lang konnte er gar keine Filme realisieren. In dieser Zeit betätigte er sich vor allem als bildender Künstler. Erst die fortschreitende Liberalisierung der 1980er Jahre ermöglichte ihm, wieder Filme zu drehen. Die erste umfassende Retrospektive seines Werks fand 1988 beim Filmfest München statt. Paradžanov starb 1990 an Krebs. Seine Filme schöpfen ihr Material und ihre gestalterische Kraft aus der Folklore, den Märchen, Mythen, Sagen und der Geschichte der ukrainischen und kaukasischen Völker. Er hat sich selbst wiederholt als „Orientalen“ bezeichnet, und „orientalisch“ ist seine wilde Fabulierlust ebenso wie der überbordende visuelle Reichtum seiner Filme.

Zum 100. Geburtstag des Regisseurs zeigt das Kino des DFF die vier langen Spielfilme, die Paradžanov seit 1965 realisieren konnte, sowie drei Kurzfilme aus diesem Zeitraum; das Frühwerk ist derzeit leider nicht verfügbar. Ergänzend zum Filmprogramm ist im Kinofoyer des DFF eine kleine Ausstellung mit Fotos aus den Produktionsprozessen von Paradžanovs Filmen der 1980er Jahre von Fotograf Yuri Mechitov zu sehen. Mit Dank an Irina Kurtishvili und das Georgian National Film Center.

In Kooperation mit:

Sonntag  03.03.2024

17:00 Uhr

TINI ZABUTYH PREDKIV

Schatten vergessener Ahnen
UdSSR (Ukraine) 1965. R: Sergej Paradžanov. D: Ivan Mykolajcuk, Larisa Kadocnikova, Tat‘jana Bestaeva. 97 Min. 35mm. OmU
Original version with German subtitles
Vorfilm am 5.3. (Änderung!): KIEVSKIE FRESKI (Fresken aus Kiew. UdSSR (Ukraine) 1966. 13 Min. DCP. OmeU)
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Basierend auf einer Novelle des bedeutenden ukrainischen Schriftstellers Myhajlo Kocjubyns‘kyj aus dem Jahre 1912, erzählt der Film eine Geschichte über Bergbauern und Schafhirten aus einem huzulischen Dorf in den Karpaten, wo zwei Familien seit Generationen verfeindet sind. Ivan ist verliebt in Maricka, die Tochter des Mannes, der seinen Vater erschlug. Als seine Geliebte tödlich verunglückt, heiratet Ivan jedoch eine andere Frau. Von Beginn des Films an häuft sich Unglück auf Unglück, der Tod ist allgegenwärtig, und doch hat der Film nichts Depressives an sich, ist im Gegenteil eine Feier des Lebens und der Natur – und ein sinnlicher Farbenrausch, wie es im Kino nur wenige andere gibt. Das liegt vor allem an der entfesselten Kameraarbeit von Jurij Il’enko (später selbst ein bedeutender Regisseur) sowie der disruptiven Schnitttechnik, der kontrapunktischen Tonmontage und leitmotivischer visueller Symbolik.

Bei dem Vorfilm handelt es sich um Fragmente eines von Paradžanov begonnenen Films, dessen Dreharbeiten abgebrochen werden mussten.

Dienstag  05.03.2024

18:00 Uhr

TINI ZABUTYH PREDKIV

Schatten vergessener Ahnen
UdSSR (Ukraine) 1965. R: Sergej Paradžanov. D: Ivan Mykolajcuk, Larisa Kadocnikova, Tat‘jana Bestaeva. 97 Min. 35mm. OmU
Original version with German subtitles
Vorfilm am 5.3. (Änderung!): KIEVSKIE FRESKI (Fresken aus Kiew. UdSSR (Ukraine) 1966. 13 Min. DCP. OmeU)
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Basierend auf einer Novelle des bedeutenden ukrainischen Schriftstellers Myhajlo Kocjubyns‘kyj aus dem Jahre 1912, erzählt der Film eine Geschichte über Bergbauern und Schafhirten aus einem huzulischen Dorf in den Karpaten, wo zwei Familien seit Generationen verfeindet sind. Ivan ist verliebt in Maricka, die Tochter des Mannes, der seinen Vater erschlug. Als seine Geliebte tödlich verunglückt, heiratet Ivan jedoch eine andere Frau. Von Beginn des Films an häuft sich Unglück auf Unglück, der Tod ist allgegenwärtig, und doch hat der Film nichts Depressives an sich, ist im Gegenteil eine Feier des Lebens und der Natur – und ein sinnlicher Farbenrausch, wie es im Kino nur wenige andere gibt. Das liegt vor allem an der entfesselten Kameraarbeit von Jurij Il’enko (später selbst ein bedeutender Regisseur) sowie der disruptiven Schnitttechnik, der kontrapunktischen Tonmontage und leitmotivischer visueller Symbolik.

Bei dem Vorfilm handelt es sich um Fragmente eines von Paradžanov begonnenen Films, dessen Dreharbeiten abgebrochen werden mussten.

Mittwoch  13.03.2024

20:30 Uhr

SAJAT NOVA

Die Farbe des Granatapfels
UdSSR (Armenien) 1969. R: Sergej Paradžanov. D: Sofiko Ciaureli, Melkon Alekian, Vilen Galustian. 79 Min. DCP. OmU
Original version with German subtitles
Vorfilm am 13.3.: HAKOB HOVNATANIAN (UdSSR (Armenien) 1967. 8 Min. DCP. OmeU)
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Sajat Nova (= König des Gesangs) war ein armenischer Volksdichter (Aschughe) des 18. Jahrhunderts, geboren und gestorben in Tiflis. Der Film SAJAT NOVA erzählt nicht etwa die Biographie des Dichters nach, sondern verdichtet sie in poetischer Form zu acht Kapiteln zuzüglich eines Prologs und eines Epilogs. Die einzelnen Episoden sind stark allegorisch angelegt, und die Kamera verharrt zumeist in starrer Frontalsicht, sodass der Eindruck einer Abfolge von Miniaturen oder Fresken entsteht, auch wegen der intensiven Farbigkeit. Auf diese Weise wird das Leben des Dichters von der Kindheit und Jugend über seine Zeit am georgischen Königshof und als Mönch bis zu seinem hohen Alter und seiner Ermordung durch die Perser dargestellt. Dieses Meisterwerk kam, behindert von der Zensur, zunächst nur in Armenien zur Aufführung und erst nach Jahren – in veränderter Form – in einigen Kinos der übrigen Sowjetunion und im Ausland.

Der Vorfilm ist ein Porträt des armenischen Malers des 19. Jahrhunderts Hakob Hovnatanian.

Donnerstag  14.03.2024

18:00 Uhr

AMBAVI SURAMIS CICHISA

Die Legende der Festung Suram
UdSSR (Georgien) 1984. R: Sergej Paradžanov, Davit Abašidze. D: Veriko Andžaparidze, Davit Abašidze, Sofiko Ciaureli. 87 Min. DCP. OmeU
Original version with English subtitles
Einführung am 14.3.: Irina Kurtishvili
Vorfilm am 29.3.: ARABESKEBI PIROSMANIS TEMAZE (Arabesken zum Thema Pirosmani. UdSSR (Georgien) 1985. 21 Min. DCP. OmeU)
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Nach einer Zwangspause von 15 Jahren meldete sich Paradžanov 1984 mit diesem Film zurück, der tief in die Legenden der georgischen Geschichte zurückgreift. Den Rahmen bildet eine Erzählung von der Errichtung einer Grenzfestung, deren Mauern jedoch vor der Vollendung immer wieder einstürzen. Dazwischen wird die Geschichte eines Höflings und seiner Verlobten aufgefächert: Er verlässt den Hof des Herrschers, schließt sich einer Karawane an, heiratet eine andere Frau und hat mit ihr einen Sohn; seine ehemalige Verlobte taucht als Wahrsagerin wieder auf. Die Erzählung bewegt sich dabei frei durch Zeit und Raum, jedes Kapitel wird aber durch eine Überschrift und ein stillebenartiges Bild angekündigt. Der visuelle Stil des Films ist der einer Abfolge mittelalterlicher Fresken oder Wandteppiche, wobei die einzelnen Einstellungen weitgehend als separate Bedeutungsträger erscheinen, weil der Film direkte Anschlussschnitte oft vermeidet.

Der Vorfilm beschwört die Bilderwelt des georgischen Malers Niko Pirosmani (1862-1918).

Donnerstag  21.03.2024

18:00 Uhr

AŠIK-KERIBI

Kerib, der Spielmann
UdSSR (Georgien) 1988. R: Sergej Paradžanov, Davit Abašidze. D: Jurij Mogojan, Sofiko Ciaureli, Ramaz Cchikvadze. 78 Min. 35mm. OmU
Original version with German subtitles
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Paradžanovs letzter Film beruht auf einer Erzählung des russischen Dichters Mihail Lermontov, welche dieser während seines Exils im Kaukasus schrieb. Und wie die Erzählung, so taucht auch der Film tief in die Legenden des Kaukasus ein. Kerib ist ein wandernder Sänger, der die Tochter eines reichen Kaufmanns liebt und heiraten möchte, doch damit er das tun kann, muss er erst zu Reichtum gelangen. Zu diesem Zweck begibt er sich auf eine lange Reise. AŠIK-KERIBI wurde überwiegend in Aserbaidschan und damit auch in der Landessprache gedreht (was manche georgischen und armenischen Nationalisten als Verrat empfanden) und beschwört intensiv die orientalische Märchen- und Bilderwelt, um eine christlich-muslimische Toleranz und eine am Ende unverbrüchliche Liebe zu feiern. In den pikaresken Abenteuern Keribs kann man auch ein Selbstportrait Paradžanovs als Künstler sehen.

Sonntag  24.03.2024

18:00 Uhr

SAJAT NOVA

Die Farbe des Granatapfels
UdSSR (Armenien) 1969. R: Sergej Paradžanov. D: Sofiko Ciaureli, Melkon Alekian, Vilen Galustian. 79 Min. DCP. OmU
Original version with German subtitles
Vorfilm am 13.3.: HAKOB HOVNATANIAN (UdSSR (Armenien) 1967. 8 Min. DCP. OmeU)
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Sajat Nova (= König des Gesangs) war ein armenischer Volksdichter (Aschughe) des 18. Jahrhunderts, geboren und gestorben in Tiflis. Der Film SAJAT NOVA erzählt nicht etwa die Biographie des Dichters nach, sondern verdichtet sie in poetischer Form zu acht Kapiteln zuzüglich eines Prologs und eines Epilogs. Die einzelnen Episoden sind stark allegorisch angelegt, und die Kamera verharrt zumeist in starrer Frontalsicht, sodass der Eindruck einer Abfolge von Miniaturen oder Fresken entsteht, auch wegen der intensiven Farbigkeit. Auf diese Weise wird das Leben des Dichters von der Kindheit und Jugend über seine Zeit am georgischen Königshof und als Mönch bis zu seinem hohen Alter und seiner Ermordung durch die Perser dargestellt. Dieses Meisterwerk kam, behindert von der Zensur, zunächst nur in Armenien zur Aufführung und erst nach Jahren – in veränderter Form – in einigen Kinos der übrigen Sowjetunion und im Ausland.

Der Vorfilm ist ein Porträt des armenischen Malers des 19. Jahrhunderts Hakob Hovnatanian.

Mittwoch  27.03.2024

20:30 Uhr

AŠIK-KERIBI

Kerib, der Spielmann
UdSSR (Georgien) 1988. R: Sergej Paradžanov, Davit Abašidze. D: Jurij Mogojan, Sofiko Ciaureli, Ramaz Cchikvadze. 78 Min. 35mm. OmU
Original version with German subtitles
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Paradžanovs letzter Film beruht auf einer Erzählung des russischen Dichters Mihail Lermontov, welche dieser während seines Exils im Kaukasus schrieb. Und wie die Erzählung, so taucht auch der Film tief in die Legenden des Kaukasus ein. Kerib ist ein wandernder Sänger, der die Tochter eines reichen Kaufmanns liebt und heiraten möchte, doch damit er das tun kann, muss er erst zu Reichtum gelangen. Zu diesem Zweck begibt er sich auf eine lange Reise. AŠIK-KERIBI wurde überwiegend in Aserbaidschan und damit auch in der Landessprache gedreht (was manche georgischen und armenischen Nationalisten als Verrat empfanden) und beschwört intensiv die orientalische Märchen- und Bilderwelt, um eine christlich-muslimische Toleranz und eine am Ende unverbrüchliche Liebe zu feiern. In den pikaresken Abenteuern Keribs kann man auch ein Selbstportrait Paradžanovs als Künstler sehen.

Freitag  29.03.2024

20:30 Uhr

AMBAVI SURAMIS CICHISA

Die Legende der Festung Suram
UdSSR (Georgien) 1984. R: Sergej Paradžanov, Davit Abašidze. D: Veriko Andžaparidze, Davit Abašidze, Sofiko Ciaureli. 87 Min. DCP. OmeU
Original version with English subtitles
Einführung am 14.3.: Irina Kurtishvili
Vorfilm am 29.3.: ARABESKEBI PIROSMANIS TEMAZE (Arabesken zum Thema Pirosmani. UdSSR (Georgien) 1985. 21 Min. DCP. OmeU)
Filmreihe: Sergej Paradžanov

Nach einer Zwangspause von 15 Jahren meldete sich Paradžanov 1984 mit diesem Film zurück, der tief in die Legenden der georgischen Geschichte zurückgreift. Den Rahmen bildet eine Erzählung von der Errichtung einer Grenzfestung, deren Mauern jedoch vor der Vollendung immer wieder einstürzen. Dazwischen wird die Geschichte eines Höflings und seiner Verlobten aufgefächert: Er verlässt den Hof des Herrschers, schließt sich einer Karawane an, heiratet eine andere Frau und hat mit ihr einen Sohn; seine ehemalige Verlobte taucht als Wahrsagerin wieder auf. Die Erzählung bewegt sich dabei frei durch Zeit und Raum, jedes Kapitel wird aber durch eine Überschrift und ein stillebenartiges Bild angekündigt. Der visuelle Stil des Films ist der einer Abfolge mittelalterlicher Fresken oder Wandteppiche, wobei die einzelnen Einstellungen weitgehend als separate Bedeutungsträger erscheinen, weil der Film direkte Anschlussschnitte oft vermeidet.

Der Vorfilm beschwört die Bilderwelt des georgischen Malers Niko Pirosmani (1862-1918).