Zum 100. Geburtstag von Montgomery Clift

von Sandra Blass

Montgomery Clift galt zu seiner Zeit als einer der talentiertesten und faszinierendsten Schauspieler Hollywoods. Er war nicht einfach nur gutaussehend. Clift besaß männliche Anmut, wirkte aber ungeheuer verwundbar mit seine dunklen, traurigen Augen, den langen, femininen Wimpern, der geraden, filigranen Nase und den weichen, sinnlichen Lippen – zumindest bis zum Autounfall 1956. Heute kennen alle James Dean und Marlon Brando. Clift steht im Schatten der beiden rebel males des Filmgeschäfts Hollywoods der 1950er Jahre. Warum? Erhlich gesagt, noch habe ich keine Antwort darauf. Zweifellos steht aber fest, er war einer der ersten, die  etwas „anders“ machten, einen neuen Schauspielstil etablierten. Clift stellte nicht mehr nur dar, sondern schlüpfte in seine Rollen, fühlte, was seine Figuren fühlen sollten. Nicht selten verausgabte er sich bei den Dreharbeiten vollkommen und oft fiel es ihm schwer, die angeeignete Figur wieder abzuschütteln. Diese Technik nennt man Method Acting.

Schauspielkunst objektiv zu beurteilen, ist nicht einfach. Deshalb erlaube ich mir an dieser Stelle einfach ganz subjektiv an zwei Beispielen darzulegen, weshalb Clift für mich so ein grandioser Schauspieler ist: Das Prägnanteste sind seine Augen, die Blicke und das, was er allein darüber vermittelt. Seine Augen sind immer in Bewegung, wachsam – so als würden sie alles, was um seine Figur herum passiert, in sich aufsaugen wollen. In A PLACE IN THE SUN (US 1951. R: George Stevens) beispielsweise fasst Clift als George Eastman den grausamen Entschluss, seine schwangere Freundin (Shelly Winters) gewaltsam loszuwerden, vollkommen nonverbal. Durch das Spiel seiner Augen können wir an jedem einzelnen seiner Gedanken teilhaben, er gewährt uns so einen Blick in sein Innerstes.

Beim Spiel mit Objekten geht es vor allem um Zigaretten. In RED RIVER (US 1948. R: Howard Hawks) ist das Anzünden praktisch ein festes Ritual der Zuneigung und Vertrautheit zwischen Matt (Clift) und seinem Ziehvater Dunson (John Wayne), da dieser sich nie selbst eine anzündet. In einer anderen Szene ersetzt Clift die Zigarette durch einen simplen Grashalm: Während sich Dunson und Groot (Walter Brennan) über ihre Situation unterhalten, ist Clift plötzlich in einer Nahaufnahme zu sehen, die beiden beobachtend. Offensichtlich hört er aufmerksam zu, allerdings führt er dabei langsam einen Grashalm zum Mund, streckt seine Zunge nur ein klein wenig vor, hin zum Halm und spitzt für einen kurzen Moment die Lippen zu einem Kussmund zusammen, bevor er den Halm dann plötzlich wegwirft und sich in das Gespräch einmischt. Erinnern Sie sich an die Szene (s. im untenstehenden Streaminglink bei Min. 20:31, Anm.d.R.)? Fanden Sie es auch irgendwie… erotisch? Und jetzt versuchen Sie mal, sich John Wayne dabei vorzustellen!

RED RIVER kann kostenlos bei dailymotion.com gestreamt werden. Zusätzlich ist der Film mittlerweile auf DVD und Blu-ray erhältlich.