21. Japanisches Filmfestival Nippon Connection – Blick ins Festivalprogramm

Von Tobias Hüser, Freya März, Naima Wagner

Nippon Connection, das weltweit größte Festival für japanisches Kino, findet dieses Jahr vom 1. bis 6. Juni zum zweite Mal online statt. Das Filmfestival präsentiert die gesamte Bandbreite des aktuellen japanischen Kinos. Insgesamt 80 Filme sind in verschiedenen Sektionen zu sehen, einen Themenschwerpunkt bildet die japanische Familie zwischen Tradition und Moderne. Das DFF-Redaktionsteam hat einen ersten Blick ins das umfangreiche Programm aus Kurz- und Langfilmen geworfen. Das komplette Programm sowie Tickets zu allen Filmen und Veranstaltungen sind auf der Festivalwebsite verfügbar.

Tobias über:

AINU NENO AN AINU (JP 2019, R: Laura Liverani, Neo Sora), Sektion: Nippon Docs

Filmstill Ainu Neno An Ainu

„Ainu Neno An Ainu“ – in der Sprache der Ainu bedeutet dieser Ausspruch „Mensch wie ein Mensch“. Für die indigene Bevölkerung im Norden Japans galt diese Gleichsetzung jedoch lange Zeit nicht. Über Jahrhunderte wurde ihre Kultur unterdrückt. Im Zuge der „Japanisierung“ litten die Ainus unter Zwangsarbeit. Ursprünglich als Jäger und Sammler lebend, sollten sie Landwirtschaft betreiben. Traditionelle Tätowierungen, Kleider und Religionsausübung waren untersagt. Erst als Japan die Tourismusförderung in den 1970er Jahren ankurbelte, versuchte man die indigenen Wurzeln der Ainus zu rekonstruieren. Ein trauriger Fakt, dass die Bevölkerungsgruppe erst als Attraktion ihre Anerkennung erhielt.

Über Vergangenheit und Gegenwart der Ainus erzählt der Dokumentarfilm von Laura Liverani und Neo Sora, der die eng vernetzte Gemeinschaft dieser Menschen aufspürt, die sich durch ihre Kultur und Traditionen tief miteinander verbunden fühlen. Liverani und Sora folgen den Geschichten einer Dorfgemeinschaft auf der Insel Hokkaido. Bis heute leben in Nibutani mehr als 70 Prozent Ainus. Ihre persönliche Lebenssituation reflektieren sie auf ganz unterschiedliche Weise. Sie befinden sich in einem Zwiespalt, wollen ihre Kultur bewahren und zugleich im modernen Japan mithalten. Über Alltagssituationen versucht der Film ihre Lage zu kontextualisieren. Dabei fangen die Regisseur:innen intime und herzerwärmende Bilder ein. Ein Plädoyer für kulturelle Vielfalt in der japanischen Gesellschaft.

Naima über:

IT’S A SUMMER FILM! (JP 2020, R: Soshi Matsumoto), Sektion: Nippon Visions

Filmstill It's a summer film

Das Langfilmdebüt des 1988 geborenen Regisseurs Soshi Matsumoto ist als internationale Premiere in der Festivalsektion NIPPON VISIONS zu sehen, die dem Nachwuchs gewidmet ist.

Im Mittelpunkt der Coming-of-Age-Komödie steht die Schülerin Barefoot und ihre Freundinnen Kickboard und Blue Hawaii. Als die filmbegeisterte Barefoot unter rätselhaften Umständen Rintaro begegnet, fasst sie den Plan, einen eigenen Samurai-Film zu drehen – mit dem mysteriösen Rintaro in der Hauptrolle. Dass ihre Mitschüler:innen lieber Romanzen sehen und die beliebteste von ihnen gerade selbst eine solche dreht, hält sie nicht davon ab, eine Filmcrew zusammenzustellen und die Dreharbeiten für ihren Film aufzunehmen, der beim Schulfestival seine Premiere feiern soll.

IT’S A SUMMER FILM! ist eine charmante Komödie, der man anmerkt, dass es sich um einen Debütfilm handelt. Etwas mehr Ruhe beim Erzählen hätte dem Film sicher ebenso gut getan wie ein bedachterer Einsatz von Musik. So ist es eine etwas chaotisch wirkende aber durchaus fröhlich-vergnügliche Geschichte über eine junge Außenseiterin und ihre Leidenschaft zum Film geworden, die für diesen Festivalsommer aber durchaus zu empfehlen ist.

Freya über:

THE DAY OF DESTRUCTION (JP 2020, R: Toshiaki Toyoda), Sektion: Nippon Cinema

und

ON-GAKU: OUR SOUND (JP 2019, R: Kenji Iwaisawa), Sektion: Nippon Animation

THE DAY OF DESTRUCTION ist ein Film, der mit Wucht erzählt. Vor allem die Musik – ein Mix zwischen Punk und Metal – trägt zur dichten und mitunter düsteren Atmosphäre des Films bei.

Von einem kleinen Dorf in Bergen aus verbreitet sich eine mysteriöse Epidemie, die die Menschen verrückt werden lässt. Die Ursache sei ein Monster, das in der Nähe des Ortes vor Jahren gesehen wurde. Der Mönch Kenichi, dessen jüngere Schwester auch von der Krankheit befallen ist, will dagegen ankämpfen und die Menschheit exorzieren. Auch wenn Kenichi in weiten Teilen dadurch selbst entrückt wirkt, so scheint es doch, als sei er einer der Menschen, der etwas verstanden hat: Er hat verstanden, dass sich etwas verändern muss. Ist die Epidemie also eine Metapher für die vielen Leiden unserer Zeit? Ist es das undefinierte Monster aus dem Berg, dass die Menschen krank macht? Oder sind wir es selbst, die Gesellschaft, die uns krankmachen?

THE DAY OF DESTRUCTION ein Film, der wütend macht, manchmal beängstigend ist, aber in jedem Fall wachrüttelt – auch musikalisch.

Im Rahmen des Nippon Connection werden noch weitere Filme von Toshiaki Toyoda gezeigt, unter anderem der Kurzfilm WOLF’S CALLING (JP 2019) und SHIVER (JP 2021). Auch in den letzten Jahren zeigte Nippon immer wieder Filme des Regisseurs, so zum Beispiel THE MIRACLE OF CRYBABY SHOTTAN (JP 2018) oder I’M FLASH! (JP 2012).

Hier geht’s zum Film Talk mit dem Regisseur.

ON-GAKU: OUR SOUND (JP 2019, R: Kenji Iwaisawa)

Kenji, Asakura und Ota starten ein Band. Musikalische Erfahrung haben sie keine, aber das ist auch nicht wichtig. Sie spielen gut, es macht ihnen Spaß und schon bald haben sie einen Auftritt beim lokalen Rockfestival. Ansonsten gehen die drei Freunde recht emotionslos durchs Leben und verziehen keine Miene.

Auch die schlichte und schön anzusehende Art der Animation passt zu diesen Typen – daher stechen besonders die Musikszenen im Film hervor. Diese sind lebendig gezeichnet und spiegeln die Musik eindrucksvoll auf der Bildebene. ON-GAKU: OUR SOUND ist kurzweilig und unheimlich humorvoll – trotz oder gerade wegen der mitunter sehr langen Standbilder.

Der Animationsfilm von Kenji Iwaisawa ist sein Langfilmdebüt, für das er 2019 mit dem Hauptpreis des Ottawa International Animation Festival ausgezeichnet wurde.

Hier geht’s zum Film Talk mit Regisseur Kenji Iwaisawa.