44. Filmfestival Max Ophüls Preis: in Saarbrücken und online

Von Naima Wagner

Inmitten des Rummels um die Oscar®-Nominierungen und das Berlinale-Programm lohnt sich ein Blick nach Saarbrücken: Am Montag startete dort die 44. Ausgabe des Filmfestivals Max Ophüls Preis. Nach einem Schreck für das Festivalteam – das Hauptfestivalkino musste nach einem Wasserschaden vorläufig geschlossen werden – konnte das Festival, eines der wichtigsten und größten für den deutschsprachigen Filmnachwuchs, zu Beginn der Woche wie geplant mit Alex Schaads AUS MEINER HAUT (DE 2022) eröffnet werden. Bis Sonntag, 29. Januar, sind in den sieben Festivalkinos in Saarbrücken und im Saarland insgesamt 127 Filme – erste, zweite und dritte Langfilme junger Regisseur:innen – zu sehen. Ein Teil der Filme ist vom Zeitpunkt ihrer Kino-Premiere an auch über das Streamingportal des Festivals abrufbar.

Filmstill aus RUKLA
Filmstill aus RUKLA © Alexander Gheorghiu
Filmstill aus RÉDUIT
Filmstill aus RÉDUIT © 2023 Alief

Ein Wettbewerbsfilm, über den gesprochen werden wird, ist Steffi Wursters Dokumentarfilm RUKLA – MOMENTAN KEINE FEINDSICHT (DE 2022). Im Mittelpunkt steht der kleine litauische Ort Rukla, in dem die NATO tausend Soldat:innen stationiert hat. Anders als die deutsche Soldatin Nina, die für sechs Monate in Rukla stationiert ist, empfinden die Litauer:innen seit jeher ein starkes Bedrohungsgefühl gegenüber Russland. Beim Filmdreh war der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 noch nicht absehbar – umso interessanter sind die Perspektiven der Litauer:innen, für die die Bedrohung durch das Nachbarland schon deutlich länger zum Alltag gehört. Am Montag, 27. Februar 2023, um 23:50 Uhr hat RUKLA – MOMENTAN KEINE FEINDSICHT seine TV-Premiere bei ZDF – Das Kleine Fernsehspiel. Ab dem 20. Februar ist er bereits in der ZDF-Mediathek verfügbar.

Weitere sehenswerte Beiträge drehen sich um Eltern-Kind-Beziehungen, die auf ganz unterschiedliche Weise inszeniert werden: Während der Kurzfilm NELLY’S STORY (AT 2022, R: Jonas Steinacker) eine humorvoll-augenzwinkernde Erzählweise wählt, wird es in dem Kurzfilm DAS ANDERE ENDE DER STRASSE (AZ UTCA MÁSIK VÉGE, AT/HU 2022, R: Kálmán Nagy) schon ernster, im Langfilm RÉDUIT (CH 2022, R: Leon Schwitter) geradezu bedrohlich.

RÉDUIT spielt auf einer abgelegenen Hütte in den Bergen. Dort verbringen ein Vater und sein Sohn gemeinsame Tage. Sie bauen einen Bogen, sammeln Kräuter und tollen durch die unberührte Winterlandschaft. Sie sprechen wenig, doch die Stimmung ist entspannt. Als der Sohn zum Handy greift, kippt die Stimmung: Der Vater wird wütend und ohrfeigt ihn. Als die Tränen getrocknet und beide wieder versöhnt sind, scheint alles wieder im Lot. Doch langsam wird klar, dass die entlegene Hütte für den Vater mehr ist als eine Wochenendunterkunft. Mit atmosphärischen Bildern entfaltet sich langsam ein Vater-Sohn-Drama, das ganz ohne größere Katastrophen auskommt. Der Film wirft die Frage auf, wie wir in Zukunft leben wollen, ob die Abkehr vom urbanen Leben und der Rückzug in die Natur ein Ausweg sein können und wie die Kommunikation zwischen den Generationen aussehen kann. Die Fragen bleiben unausgesprochen; nur einmal fragt der Vater den Sohn, ob ihm die Nachrichten keine Angst machten. Gerade das Subtile macht den Film so gelungen, der nicht nur das Spielfilm-Debüt des 1994 in der Schweiz geborenen Regisseurs Leon Schwitter ist, sondern auch das erste Langspielfilm-Projekt seiner eigenen Produktionsfirma EXIT Filmkollektiv, die mit einem kleinen Team, weniger Ressourcen und mehr Drehzeit Filme realisieren möchte.

Filmstill aus DAS ANDERE ENDE DER STRASSE
Filmstill aus DAS ANDERE ENDE DER STRASSE © Manuel Prett
Filmstill aus NELLY'S STORY
Filmstill aus NELLY'S STORY © Reza Rasouli

In dem österreichisch-ungarischen Kurzfilm DAS ANDERE ENDE DER STRASSE von Kálmán Nagy ist ein Konflikt der Ausgangspunkt der Handlung: Ein Vater sucht gemeinsam mit seinem Sohn die Eltern eines Mitschülers auf, weil dieser den Sohn in der Schule angegriffen hat. Die Eltern lassen sich etwas widerwillig auf ein Gespräch ein; schließlich kommt auch ihr Sohn hinzu, der beteuert, an diesem Tag gar nicht in der Schule gewesen zu sein. Die Lage spitzt sich zu. Mit steigender Spannung entfaltet der Kurzfilm einen Konflikt, der zunehmend auch die Erwachsenen vereinnahmt. Dann bringt auch noch ein Geständnis eine unvorhergesehene Wendung. Der Film beweist wieder einmal, welche Kunstfertigkeit die kurze Form verlangt: Die Konzentration auf eine Situation und wenige Figuren bringt eine präzise Beobachtung eines Alltagskonflikts hervor.

Auch dem Kurzfilm NELLY’S STORY gelingt es, eine spannungsvolle Eltern-Kind-Situation zu inszenieren, wenn auch mit einem humorvollen Unterton. Zuerst einmal scheint alles in Ordnung: An ihrem neunten Geburtstag kommt Nelly die Treppe hinunter in die Küche und soll die Kerzen auf ihrem Kuchen ausblasen. Die Mutter hält unverwandt das Handy auf das Mädchen gerichtet. Nelly wird es zu blöd: Sie schnappt sich das Handy und filmt nun ihre Mutter. Dann lockt sie sie nach draußen und sperrt sie aus. Als der Schlüsseldienst nicht weiterhelfen kann, wird die Polizei alarmiert. Zeitgleich veröffentlicht sie Videos auf dem Instagram-Kanal der Mutter, was dieser gar nicht gefällt. Der Film ist ein augenzwinkernder Kommentar auf den Drang einiger Menschen, ihren Alltag in den sozialen Medien abzubilden und die dabei nicht mal vor ihren Kindern Halt machen.

Das Filmfestival Max Ophüls Preis bietet jedes Jahr tolle Entdeckungen. Noch bis Sonntag, 29. Januar, sind Filme zu sehen: im Kino und online.