Alan Rickman zum 75.

Anlässlich des 75. Geburtstags von Alan Rickman am 21. Februar 2021 veröffentlichen wir hier noch mal den Filmblog, den Frauke Haß nach seinem viel zu frühen Tod 2016 verfasste.

Der Mann mit der Stimme

Die Nachricht von David Bowies Tod erreichte mich im Januar am anderen Ende der Welt, im Urlaub. Das war sehr traurig. Schließlich hat der Mann nicht nur großartige Musik gemacht, Coolness in den 70er Jahren neu definiert, die Gender-Grenzen zum Verschwimmen gebracht, sondern auch noch in durchaus sehenswerten Filmen wie THE MAN WHO FELL TO EARTH (Der Mann, der vom Himmel fiel, GB 1976, R: Nicolas Roeg) oder SENJŌ NO MERĪ KURISUMASU / MERRY CHRISTMAS, MR. LAWRENCE (Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence, GB/JP 1983, R: Nagisa Ōshima) mitgewirkt. Letzterer mit der sensationell melancholisch-schönen Musik von Ryūichi Sakamoto.

Der eigentliche Hammerschlag traf mich aber Wochen nach meiner Rückkehr, als ich en passant mitten in den Vorbereitungen für die Berlinale erfuhr, dass auch Alan Rickman gestorben war. Alan Rickman, der Mann mit der Stimme, dessen schauspielerische Grandiosität man WIRKLICH nur im Original erfassen kann. Ich möchte gar nicht wissen, wie er sich auf Deutsch anhört. An diese Stimme kommt keiner, aber auch gar keiner heran. Naja, vielleicht Gottfried John. Aber der ist ja leider auch schon gestorben. Zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe ich Alan Rickman, nein, nicht als Harry Potters Gegenspieler Severus Snape, sondern als Colonel Christopher Brandon in SENSE AND SENSIBILITY (Sinn und Sinnlichkeit, US/GB 1995, R: Ang Lee), den er in einer das Herz im Zentrum treffenden Mischung aus wandelnder Melancholie, Trauer, Resignation und ganz leisem Humor verkörpert, so dass man Kate Winslets Marianne Dashwood beim besten Willen nicht verstehen kann: Schließlich braucht sie eine Ewigkeit, bis sie dieser Stimme (und dieser Traurigkeit) am Ende dann doch noch verfällt. Ich wäre sofort hin und weg gewesen (ganz anders als eine gute Freundin von mir, die doch tatsächlich erst vorgestern behauptete, Alan Rickman spiele den Colonel Brandon ja nun leider „ganz schlecht: so hölzern!“, tststs, nichts verstanden, muss man da sagen, denn genau darum geht es doch: Der Mann leidet, er hat sich schon fast aufgegeben, er wagt es nicht, an sein Glück zu glauben, und tut es dann schließlich doch, all das drückt Alan Rickman mit diesem leichten Hochziehen der Brauen, dem Verziehen des Mundes, der steifen Körperhaltung aus. Zum Niederknien…

Unvergessen (dabei sehr vielen Kinogängern gänzlich unbekannt) ist seine Rolle als Alexander Dane / Dr. Lazarus in der herrlich albernen Star-Trek-Satire GALAXY QUEST (US 1999, R: Dean Parisot). Rickman spielt Dane mit dieser ihm eigenen Gequältheit eines magenkranken Morgenmuffels, die er auch in LOVE ACTUALLY (Tatsächlich… Liebe, US/GB 2003, R. Richard Curtis) und hier vor allem in der zermürbenden Kaufhaus-Szene mit „Mr. Bean“-Darsteller Rowan Atkinson bravourös hinlegt. Und jetzt ist er nicht mehr.

He „won’t say that stupid line one more time“*, und man möchte vor Verzweiflung mit Rickmans Sheriff George of Nottingham (in: ROBIN HOOD: PRINCE OF THIEVES, USA 1991: R: Kevin Reynolds) rufen: „Call off Christmas!“

 

*Zitat: Alexander Dane in GALAXY QUEST

Titelbild: Alan Rickman in: GAMBIT (US 2012, R: Michael Hoffman; Quelle: DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt a.M.)