Die Liebe in den Zeiten von Corona

von Marie Brüggemann

…die Rede ist natürlich von der Kinoliebe. Wer es liebt, Filme im dunklen Kinosaal sitzend auf der großen Leinwand zu sehen, muss sich auf andere Zeiten einstellen – vielleicht auf sehr schwere.  

Ausgerechnet mit John Carpenters Horrorklassiker THE FOG (Nebel des Grauens, US 1980) über einen sich langsam ausbreitenden, Unheil verkündenden Nebel lief am Freitagabend der vorerst letzte Film im Kino des DFF durch den Projektor. Bis 10. April hat unser Haus den Kino- und Museumsbetrieb eingestellt und sich damit den Maßnahmen der Stadt Frankfurt zur Eindämmung des Coronavirus angeschlossen. 

Noch spielen die meisten Frankfurter Kinos wie gehabt – in vielen Kinos, unter anderem in denen der Arthouse-Gruppe und iCinestar Metropolis, werden nur 50% der zur Verfügung stehenden Sitze verkauft, die Astor Film Lounge und andere kommerzielle Häuser müssen mit Programmänderungen jonglieren, weil die Filmstarts von JAMES BOND und Co. verschoben wurden.  

Aber: Wir können noch ins Kino gehen. Cinephile andernorts – in Kassel und Berlin zum Beispiel – müssen schon weitaus mehr Einschränkungen und Kinoschließungen in Kauf nehmen, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Kinos hierzulande endgültig geschlossen werden. Ein kaum vorstellbares Szenario, das in wirtschaftlicher Hinsicht für die Kinobetreiber/innen verheerende Konsequenzen hat, aber auch uns, für die der regelmäßige Kinobesuch von ähnlich großer Bedeutung ist wie soziale Kontakte, stellt diese Situation vor eine große Herausforderung.  

Ich beschwere mich gerne. In letzter Zeit besonders häufig über das Kinoprogramm, das die Stadt Frankfurt ihren Bewohner/innen bietet. Zu wenig Vielfalt, zu viele Synchronfassungen, und so weiter. Aber in diesen Tagen denke ich um. Ich muss diese ziemlich abgedroschene Phrase verwenden, die man eigentlich nicht mehr hören kann und will: “Wie gut wir’s doch haben!” Sorry, aber es stimmt. Tagtäglich können wir in Frankfurt zwischen mehr als 15 Kinos und einer exponentiell entsprechenden Zahl an Filmen wählen. Nach Lust und Laune können wir uns für Popcorn und Cola entscheiden, oder für intellektuellen Anspruch – beides auch im XXL-Format erhältlich. 

Was tun wir, wenn wir nicht mehr ins Kino gehen können? Ich mag Netflix und nutze auch gerne das Angebot diverser Mediatheken, aber das ist nicht das gleiche. Was ich auf der heimischen Couch gucke, gucke ich nebenbei; während ich esse, durch Instagram browse, Wäsche zusammenlege, Zeitschriften durchblättere. Mit allen Sinnen überall und nirgendwo. Das ist im Kino anders. Während man hier mit anderen, meist Gleichgesinnten, gemeinsam in einem verdunkelten Saal sitzt, um sich voll und ganz – mit allen Sinnen eben – dem Geschehen auf der Leinwand zu widmen, kann man den Rest der Welt ausschließen, fliehen vor allem, was sich in ihr ereignet. Mittlerweile ist der Kinobesuch für mich eine der verlässlichsten Arten, für einen kurzen Moment die Kommunikationsflut zu unterbrechen, die meinen Alltag bestimmt.  

Und zurzeit ist es genau diese Kommunikationsflut, die Angst schürt. Angst, die sich durch alle Bereiche des öffentlichen Lebens zieht und dieses völlig auf den Kopf stellt. Vergesst diese Angst für einen Augenblick: Im Moment noch ist es Euch selbst überlassen, ob ihr ins Kino geht (mit zwei Kinositzen Abstand zum/zur nächsten, und natürlich nur, solange ihr Euch gesund fühlt!), oder aber, ob ihr Euch bewusst Kinomomente zuhause schafft: Das Smartphone aussperren, den Raum abdunkeln, und verschwinden in irgendeiner Filmwelt weit weg von der Coronakrise – das brauchen wir jetzt!