Highlights des Filmfestivals Max Ophüls Preis 2022

Von Naima Wagner

Das Filmfestival Max Ophüls Preis (FFMOP) in Saarbrücken setzt dieses Jahr auf eine hybride Lösung aus Kino vor Ort und Streaming. Am vergangenen Sonntag eröffnete Marten Persiels dystopischer Film EVERYTHING WILL CHANGE das Festival.

Das FFMOP-Team ist auf eine Schließung der Kinos vorbereitet und könnte jederzeit komplett auf Streaming umstellen. Die Hoffnung ist groß, dass es dazu nicht kommt: Alle Vorkehrungen für ein zwar vor Ort stattfindendes aber entzerrtes Festival wurden getroffen. Die saarländischen Kinos dürfen nur zu 50 Prozent ausgelastet werden. Zudem läuft jeder Wettbewerbsfilm nur ein Mal, jedoch in mehreren Kinos gleichzeitig.

Bis zum 26. Januar sind 80 Filme zu sehen. 49 von ihnen konkurrieren in den vier Wettbewerben Spielfilm, Dokumentarfilm, Mittellanger Film und Kurzfilm. Im Mittelpunkt des Festivals steht der deutschsprachige Filmnachwuchs: Junge Filmschaffende präsentieren ihre Werke, die beim FFMOP als Uraufführung oder deutsche Erstaufführung zu sehen sind.

Zu den Highlights des Kurzfilm-Wettbewerbs zählen ABSPRUNG (AU 2022) von Valentin Badura und RETURN (DE 2022) von Ghiath Al Mhitawi. Bei den Beiträgen zum Spielfilm-Wettbewerb sticht der Coming-of-Age-Film BULLDOG (DE/SP 2021) von André Szardenings heraus, der 2021 für den First Steps Award nominiert war, den wichtigsten deutschen Nachwuchspreis für Abschlussfilme.

Kurzfilme über das Heimkehren: ABSPRUNG und RETURN

In den ruhig erzählten Kurzfilmen ABSPRUNG und RETURN spielt sich alles zwischen zwei Personen ab – Vater und Sohn respektive Mutter und Sohn –, die sich nach längerer Abwesenheit zu Hause, oder einem Ort, der mal Zuhause war, wiederbegegnen. Manches wird gesagt, manches bleibt unausgesprochen.

In ABSPRUNG fahren Philipp und sein Vater in einen kleinen Ort in der Steiermark, um den Haushalt des verstorbenen Großvaters aufzulösen. Der junge Mann will es schnell hinter sich bringen und ermahnt den älteren, sich nicht in der Betrachtung einzelner Briefmarken zu verlieren. Als Philipp auf eine Sammlung von Zeitungsartikeln zu Kriegsdeserteuren stößt und seinen Vater nach der Vergangenheit seines Großvaters befragt, kommt es zu einer Meinungsverschiedenheit. Es sei eben eine andere Zeit gewesen, meint der Vater; das entschuldige nicht alles, meint der Sohn. Doch Philipp will sich auch nicht auf eine Diskussion einlassen. Fragen und Vorwürfe bleiben im Raum zwischen ihnen hängen. Später essen sie in einem Restaurant zu Mittag: Sie sind die einzigen Gäste, laute Volksmusik trällert aus den Boxen bis der Wirt sie auf ihr Bitten hin ausschaltet. Der Filmtitel nimmt nicht nur Bezug auf die Skischanze im Ort, sondern verweist ganz deutlich auch auf das Gefühl an Orten der Kindheit – irgendwo zwischen wehmütiger Erinnerung und Erleichterung angesichts des Umstands, sie hinter sich gelassen zu haben und nur selten zu ihnen zurückkehren zu müssen. ABSPRUNG ist ein kleiner, mit feinem Humor erzählter Film, der diesen Konflikt ohne viele Worte auf den Punkt bringt.

Auch in RETURN geht es um eine Heimkehr: Der syrische Soldat Husam besucht seine Mutter: Er freut sich über ihre Gesellschaft, genießt ihr Essen und scherzt darüber, was er habe bezahlen müssen, um für einen Tag nach Hause fahren zu dürfen. Doch Zweifel und Ängste überschatten die Freude des Wiedersehens: Husam hält die Menschen, für die er kämpft, für korrupt und möchte dem Militärdienst entkommen. Er möchte nicht sein Leben riskieren und erst recht möchte er nicht als Held dargestellt werden. Doch die Mutter möchte es nicht hören. Wie in ihrem verstorbenen Mann möchte sie auch in ihrem Sohn einen Helden sehen. Ihr Gespräch zeugt ebenso von Zuneigung und tiefem Vertrauen wie von der Unmöglichkeit, einander zu verstehen. Während seiner Abwesenheit hat sich bei dem Sohn etwas verändert; er blickt mit anderen Augen auf sich und sein Leben. Die Zustimmung, die er zu Hause sucht, findet er nicht. So scheitert auch hier die Kommunikation zwischen zwei Generationen.

Ein besonderer Coming-of-Age-Film: BULLDOG

Auch der Spielfilm BULLDOG widmet sich einer Mutter-Sohn-Beziehung. Der 21-jährige Bruno lebt mit seiner nur 15 Jahre älteren Mutter Toni in einer Ferienanlage auf einer spanischen Insel. Dort arbeiten die beiden im House Keeping. Mutter und Sohn leben in einer engen Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit, die auf die Probe gestellt wird, als Hannah, die neue Partnerin von Toni, in den Bungalow einzieht. Zum ersten Mal muss Bruno die Zuneigung seiner Mutter mit einer anderen Person teilen. ‚Bist du jetzt lesbisch oder was?‘, will der Sohn von der Mutter wissen, als sie gemeinsam im Bett liegen. Doch was er eigentlich sagen will, ist: ‚Wie kannst du jemand anderen als mich lieben?‘. Während der Sohn gewissenhaft seinen Job erledigt und mit Überstunden noch etwas dazuverdient, wird der Mutter gekündigt, weil sie etwas gestohlen hat. Wütend und verletzt sieht sich Bruno vor der Aufgabe, sich von seiner Mutter abzunabeln.

BULLDOG porträtiert einfühlsam einen jungen Mann, der erst mit der Zeit erkennt, dass sich etwas verändern muss, dass er sich verändern muss. In einer Szene sagt Toni zu Hannah, wie um es sich selbst zu bestätigen: ‚Wir sind glücklich‘. Dann schaut sie rüber zu ihrem Sohn und fügt leise hinzu: ‚Oder, Bruno?‘ Bruno zögert lange, bevor er nickt. Bruno wird von Julius Nitschkoff verkörpert und man merkt, dass Regisseur und Drehbuchautor André Szardenings seinem Hauptdarsteller die Rolle auf den Leib geschrieben hat.

Die warmen, sonnendurchfluteten Bilder der Urlaubsinsel sind betörend, täuschen aber nicht über die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse der beiden hinweg. Viele Hotels sind geschlossen, die Bars schließen früh, Tourist:innen gibt es keine. Nur ein einsames Mädchen, mit dem Bruno eine rührende Freundschaft beginnt, stromert durch die Ferienanlage. Auch atmosphärisch erinnert BULLDOG an Sean Bakers großartigen THE FLORIDA PROJECT (US 2017), der ebenfalls mit farbenfroh-flirrenden Bildern von einer zwischen liebevoll und toxisch changierenden Mutter-Kind-Beziehung am Rand der Gesellschaft erzählte.

BULLDOG ist ein Film, auf den man sich in diesem Jahr noch freuen kann: Im Dezember steht der Kinostart an.

Das Filmfestival Max Ophüls Preis geht noch bis Mittwoch, 26. Januar.

Titelbild: Filmstill aus BULLDOG © André Szardenings, Quelle: Filmfestival Max Ophüls Preis