Film und Katastrophe 2021: DON’T LOOK UP

von Stefanie Plappert

Ein Komet rast auf die Erde zu, zwei Wissenschaftler:innen erkennen die Bedrohung und setzen fortan alles daran, die Welt zu warnen.

So weit, so klassisch Katastrophenfilm.

Von hier an allerdings gleitet DON’T LOOK UP (US 2021. R: Adam McKay) in ein anderes Genre über. Eine US-Präsidentin die ausschließlich nach ihren Popularitätswerten und den nächsten Wahlen regiert, Medien, deren Vertreter:innen wissenschaftlich basierte Fakten zwar publizieren, nach verheerenden Zufriedenheitswerten bei ihrer Leser:innenschaft jedoch aus der Berichterstattung aussteigen, ein Tech-Gigant dessen finanzielle Interessen über dem Schutz menschlichen Lebens zu stehen scheinen, ein zutiefst korruptes und mit sich selbst beschäftigtes politisches System, und eine Gesellschaft, deren „Spaltung“ in Verleugner der Bedrohung und Adept:innen der Apokalypse sich in kürzester Zeit vollzieht: vor den Augen der Zuschauer:innen entfaltet sich eine Satire auf die offensichtliche menschliche Unfähigkeit, mit Katastrophen zu leben (das sei in diesem Fall nicht einmal als Vorwurf gemeint – namentlicher Kometeneinschlag würde die Erde vollständig zerstören).

Während – das ist hoffentlich noch nicht zu viel verraten – keine:r der Mächtigen sinnvolle Maßnahmen trifft, um mehr als eine kleine Elite vor der Totalzerstörung des Planeten zu retten, macht sich bei den Wissenschaftler:innen Ernüchterung breit. Und mit ihnen auch beim Publikum: Die überdrehte Beschreibung einer (US-amerikanischen) Realität ohne jede Vernunft oder Solidarität, das post-aufklärerische Ego-Szenario sind durchaus komisch – eine zynische Wirkung verfehlen sie dennoch nicht. Das Drehbuch zu DON’T LOOK UP wurde vor der Corona-Pandemie geschrieben, und doch nimmt die Handlung Mechanismen und Entwicklungen vorweg, die uns aus den vergangenen zwei Jahren bekannt erscheinen. Vielleicht ist das auch das eigentlich Katastrophale an DON’T LOOK UP: dass die Realität die Fiktion so überdeutlich überholt hat.

Im Unterschied zum klassischen Katastrophenfilm haben die Held:innen keine Chance, und die Frage danach, wie glücklich das Ende ist, liegt eher im Auge der Betrachtenden. Ein klassischer Katastrophenfilm agiert unsere Ängste auf der Leinwand aus, und gönnt uns die Wohltat einer geglückten Rettung. DON’T LOOK UP ist da realistischer, und nimmt die drohende Katastrophe eigentlich nur als Ausgangspunkt für ein (hoffentlich) überspitztes Sittengemälde der westlichen Welt, eine fast grotesk anmutende Bebilderung unreifer Affekte angesichts durchaus realistischer Bedrohungslagen. Er steht damit in einer eigenen Tradition an der Grenze von Katastrophe, Science Fiction, Dystopie und Satire, einer Tradition zwischen Filmen wie DARK STAR (John Carpenter, US 1974) und MARS ATTACKS! (Tim Burton, US 1996), THE DAY AFTER TOMORROW (Roland Emmerich, US 2004) und THESE FINAL HOURS (Zak Hilditch, AU 2013).

Und einem Teil dieser Filme wiederum können Besucher:innen in unserer Ausstellung KATASTROPHE. Was kommt nach dem Ende? (bis 22. Mai 2022) begegnen. Dort haben wir zudem in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Museum nach Auswegen und Lösungsmöglichkeiten drohender Gefahren gesucht – die Interviews mit diesen Expert:innen führen hoffentlich auf den Weg, den sich die Menschheit entscheidet zu gehen.

Titelbild: DON’T LOOK UP (US 2021. R: Adam McKay) ist im Dezember 2021 auf Netflix erschienen.