Max Ophüls Preis online: Highlights des Nachwuchsfilmfestivals

Von Naima Wagner

Normalerweise kommen Filmschaffende jährlich im Januar in Saarbrücken zusammen, um sich zu vernetzen und in der Branche Fuß zu fassen. Als dezidiertes Nachwuchsfestival zeichnet sich das Filmfestival Max Ophüls Preis vor allem als Plattform für junge Filmschaffende aus, denen es als Karrierestartpunkt oder frühe Karrierestation dient.

Am Sonntag Abend wurde das FFMOP nun als Online-Festival eröffnet. 50 der insgesamt 98 Filme sind im Wettbewerb zu sehen: Mehrheitlich als Uraufführungen werden sie in den Kategorien Spielfilm, Dokumentarfilm, MIttellanger Film und Kurzfilm präsentiert.

Die Möglichkeit, die Filmschaffenden und ihre Arbeit kennenlernen, bieten voraufgezeichnete Filmgespräche, die auf der Streaming-Plattform des Festivals verfügbar sind, sowie Zoom-Live-Gespräche. Auf der Plattform finden Online-Festivalbesucher:innen auch den MOP-Festivalfunk in Zusammenarbeit mit dem Saarländischen Rundfunk, der täglich mit Programmtipps, Hintergrundinfos und Talks Orientierung in dem reichen Angebot bietet.

 

Eröffnungsfilm A BLACK JESUS und Ehrenpreis für Wim Wenders

Zum ersten Mal in seiner Geschichte präsentierte das FFMOP einen Dokumentarfilm als Eröffnungsfilm und setzte damit auch ein Statement für die Gleichwertigkeit von Spiel- und Dokumentarfilm. Luca Lucchesis A BLACK JESUS (DE 2020) kündigte das Festivalprogramm eines politisch engagierten Jahrgangs an.

A BLACK JESUS © RoadMovies, Paolo Indelicato

Der Film erzählt von den alten und neuen Bewohner:innen der sizilianische Stadt Siculiana. Das religiöse Städtchen verehrt eine schwarze Jesus-Figur, die bei Prozessionen von ausgewählten Männern durch die Gassen getragen wird. Zu diesen wollen nun auch Edward und drei weitere Bewohner des nahegelegenen Flüchtlingslagers gehören.

Produzent des Films ist Wim Wenders, der bei der voraufgezeichneten Eröffnung den Ehrenpreis des Festivals erhielt: Seit vielen Jahren engagiert er sich als Regisseur, Produzent, Hochschulprofessor und mit seiner Stiftung für den Filmnachwuchs.

 

Zwei Filmtipps: SAMI, JOE UND ICH und MEIN VIETNAM

SAMI, JOE UND ICH (CH 2020, R: Karin Heberlein / Spielfilm-Wettbewerb) kommt zuerst wie eine fröhliche Sommergeschichte daher: Die drei Freundinnen Sami, Joe und Layla wollen den Sommer genießen und ihren Schulabschluss feiern. Die Sechszehnjährigen haben Pläne und Träume für die Zukunft. Doch die Realität holt sie ein.

SAMI, JOE UND ICH © Abrakadabra, Nelly Rodriguez

Sami, die ihrem strengen Vater entkommen will, erscheint der Freund ihres Bruders als rettender Ausweg. Layla tritt hoffnungsvoll eine Leerstelle in einer Großküche an. Joe dagegen muss ihre eigenen Pläne hinten anstellen: Sie kümmert sich um ihre kleinen Geschwister und nimmt einen Job als Reinigungskraft an, um mi

t dem Geld ihre alleinerziehende Mutter zu unterstützen. Dann geschieht etwas, über das Joe nicht sprechen kann – nicht einmal mit ihren Freundinnen.

Die drei hervorragend miteinander harmonierenden Protagonistinnen tragen auf beeindruckende Weise diesen Coming-of-Age-Film, der trotz vieler ernster Momente eine grundsätzlich positive Grundstimmung nie verliert. Zu dieser trägt auch die Musik bei, die für eine zusätzliche Portion Lebendigkeit sorgt. SAMI, JOE UND ICH ist eine berührende Geschichte über Freundschaft und den Versuch, auf eigene Faust den Weg in einen neuen Lebensabschnitt zu finden.

MEIN VIETNAM © Filmakademie Baden-Württemberg

Der Dokumentarfilm MEIN VIETNAM (DE 2020, R: Tim Ellrich, Thi Hien Mai / Dokumentarfilm-Wettbewerb) erzählt vom Alltag des vietnamesisches Ehepaars Bay und Tam, das mit ihren Kindern seit 30 Jahren in Deutschland lebt. Über Videotelefonate stehen sie im engen Kontakt zu ihrer Familie in Vietnam. Als ein Taifun das Haus des Vaters in Vietnam schwer beschädigt, wird die Entfernung schmerzlich bewusst.

Mit Ausnahme zweier Szenen, die die beiden bei ihrer Arbeit als Reinigungskräfte zeigen, spielt sich der ganze Film in den vier Wänden ihrer Wohnung ab. Die zurückhaltende, meist statische Kamera fängt viele kleine Momente ein, die sich dort ereignen – in vielen spielt die Verbindung zur Familie in Vietnam über das Internet eine Rolle.

Der Vater hält während eines Videotelefonats stolz den Laptop über die wachsenden Pflanzen auf dem Balkon, um sie seinem virtuellen Gegenüber zu präsentieren. Ein anderes Mal singt er in ein Mikrofon bei einem Online-Karaoke. In einer rührenden Szene versuchen sie, an der aus der Ferne übertragenen Totenwache für eine verstorbene Verwandte teilzunehmen.

Während in diesen Momenten die Entfernung zur (ehemaligen) Heimat besonders deutlich wird, erscheint in anderen Momenten wiederum München als Heimat: So trinkt der Vater abends auf dem Balkon ein Münchener Bier oder trägt eine Bayern-München-Sportjacke. Wenn er woanders eingeladen ist, so verrät die Tochter und Regisseurin Thi Hien Mai im Filmgespräch, bringt er auch mal einen Kasten dieses Bieres mit.

So erzählt der Dokumentarfilmen mit leisen Tönen von den Erfahrungen, die viele Familien in Deutschland machen, die sich aber häufig für andere unsichtbar in den eigenen vier Wänden abspielen, schafft dabei Verständnis und nicht zuletzt auch Bewunderung für all jene, die ihre Familienbande über so große Distanzen aufrechterhalten.

Im Filmblog berichtet Regisseurin Thi Hien Mai (MEIN VIETNAM) davon, wie es für sie ist, auf dem 42. Filmfestival Max Ophüls Preis eine Online-Deutschlandpremiere zu feiern.
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