Filmblog // AMSTERDAM

Satirischer Kriminalfilm in Jules-und-Jim-Manier

Von Frauke Haß

Ein Film voller Münder. Münder mit herrlich schönen (und manchmal auch nicht ganz so schönen) Zähnen, die einem gefühlt leinwandfüllend auf die Pelle rücken. Liegt es an der großen Leinwand? Ist man inzwischen so kinoentwöhnt, dass einem die Großaufnahmen irgendwie zu nahe kommen? Nichts gegen schöne Menschen, von denen es in David O. Russells AMSTERDAM (US 2022) jede Menge gibt (Margot Robbie, Taylor Swift, John David Washington, Zoë Saldaña, Anya Taylor-Joy, Matthias Schoenaerts), aber die Gesichter des außergewöhnlichen Personaltableaus in AMSTERDAM drängen sich den Kinobesucher:innen so auf, dass selbst die schönsten zuweilen seltsam verzerren.
Ganz zu schweigen von den entstellten. Allen voran Christan Bales Figur des Dr. Burt Berendsen, der mit seinem Kumpel Harold Woodman (John David Washington) im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs schwer verletzt wurde und dabei ein Auge verlor. Mit großer Spielfreude mimt Bale diesen menschenfreundlichen, wegen der Schrapnell-Verletzung von starken Rückenschmerzen gequälten Arzt, der in seiner Hinterhof-Praxis in Manhattan reihenweise Veteranen behandelt, die sonst wenig Hilfe kriegen. Wieder und wieder blickt er mit seinem narbendurchzogenen Gesicht aus großer Nähe direkt in die Kamera, als wolle er sicherstellen, dass wir auch wahrnehmen, was für eine tolle Arbeit die Maske an ihm geleistet hat.
Aber das soll hier gar nicht nach Gemecker klingen. AMSTERDAM erzählt äußerst unterhaltsam und mit satirischen Akzenten die Geschichte von Burt, Harold und Valerie, die 1918 im Lazarett aufeinandertreffen, wo Valerie den beiden Verletzten die Geschosssplitter zartfühlend aus den Rücken klaubt, um daraus später ihre sehr spezielle Art der Schlachtfeldkunst zu formen. Harold und Valerie werden ein Paar und die drei schließen eine Art Musketier-Pakt. Nach Kriegsende ziehen sie gemeinsam nach Amsterdam, wo sie das Bohème-Leben genießen – bis es Burt heim zieht, nach Manhattan, wo, wie er hofft, seine Frau auf ihn wartet. Doch als Burt in der Praxis seines Schwiegervaters an der Park Avenue (lies: upper class!) abgerissene Veteranen behandeln will, schmeißt dieser ihn raus. Fortan kümmert er sich in weniger schickem Ambiente um seine alten Kampfgefährten – bald schon zusammen mit seinem Paktbruder Harold, der als Anwalt Karriere macht. 15 Jahre lang geht das so, bis die beiden 1933 über einen Doppelmord stolpern und dabei selbst in Verdacht geraten.
Im Bestreben, ihre Westen wieder weiß zu waschen, suchen sie Hilfe beim einflussreichen Erben Tom Voze und stoßen dort auf ihre alte Freundin Valerie, mit der zusammen sie in schönster Jules-und-Jim-Manier eine faschistische Verschwörung mehrerer US-Unternehmer aufdecken, die einen Staatsstreich planen. Dem Trio gelingt es schließlich, zum legendären General Gil Dillenbeck (staatstragend: Robert de Niro) vorzudringen, mit dem es einen Plan ausheckt, die Faschisten zu überlisten.
Schon das Starensemble garantiert unbedingten Schauwert. Darüber hinaus bietet AMSTERDAM ungewöhnlich viele interessante Frauenrollen, neben Margot Robbie als driftende Künstlerin Valerie glänzt Anya Taylor-Joy als hassenswerte blonde Gretchen-Faschistin Libby und Andrea Riseborough als Burts Ehefrau Beatrice, die so illoyal wie bitchy und doch unwiderstehlich ist.
Macht einfach Spaß!

Start 3. November 2022

AMSTERDAM
(US 2022. Regie & Drehbuch: David O. Russell)
Mit: Christian Bale, Margot Robbie, John David Washington, Alessandro Nivola, Andrea Riseborough, Anya Taylor-Joy, Chris Rock, Matthias Schoenaerts, Michael Shannon, Mike Myers, Taylor Swift, Zoe Saldaña, Rami Malek und Robert De Niro