Southern Lights on Tour 2024: Ein Blick ins Festivalprogramm

Southern Lights on Tour präsentiert Filme aus dem globalen Süden im Kino des DFF und weiteren Kinos in der Rhein-Main-Region. Das diesjährige Programm steht unter dem Thema ‘Mut’ und umfasst Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 15 Ländern. Die DFF-Redaktion hat einige Filme vorab gesehen.

FREMONT (USA 2023. R: Babak Jalali)

Donya ist vielleicht 26 oder 27 Jahre alt, als sie eine schwerwiegende Entscheidung trifft: Nachdem ihre Familie in Kabul aufgrund ihrer Beschäftigung als Übersetzerin der US-Army Morddrohungen erhält, verlässt sie ganz allein das Land und flieht in die Vereinigten Staaten. Acht Monate lebt sie jetzt schon in der kalifornischen Kleinstadt Fremont, wo sie unter Einsamkeit und Schlafstörungen leidet. Zwar wohnt sie mit einigen weiteren Afghan:innen in einem Apartmentblock, doch Donya möchte eigentlich gar nicht den ganzen Tag lang mit der Realität ihrer Flucht konfrontiert werden. Daher pendelt sie für etwas Abwechslung tagsüber ins nahegelegene San Francisco, wo sie in einer Glückskeksfabrik arbeitet.

In ästhetisch komponierten Schwarz-Weiß-Bildern erzählt FREMONT so die Geschichte von Donyas Suche nach Anschluss in einem Land, in dem sie laut eigener Aussage eigentlich gar nicht unbedingt sein möchte. Nur nach und nach erfährt das Publikum mehr über die intelligente, aber verschlossene junge Frau, beispielsweise über Konversationen mit ihrem älteren Nachbarn Salim oder ihrem Therapeuten Dr. Anthony, bei dem sie absurd anmutende Therapiesitzungen hat. Was FREMONT so besonders aber gleichzeitig auch bedrückend macht, ist die Unaufgeregtheit, mit der er das Thema ‚Flucht‘ behandelt: Die Last, die Donya mit sich trägt, ist eigentlich so groß, dass ihr Trauma nur so aus ihr herausschreien müsste, doch sie behält alle Gefühle in ihrem Inneren, ist manchmal sogar lakonisch witzig. Ihre nach außen hin gezeigte emotionale Verfassung spiegelt sich in den statischen Einstellungen des Films wider. Eines Tages lässt sie diese Statik und ihre Abgeklärtheit jedoch hinter sich, als sie es wagt, einen Zettel mit ihrer Telefonnummer in einem Glückskeks in die Welt zu schicken. Ob ihr das Universum antwortet?

(Katharina Popp)

Spieltermine

Frankfurt, Kino des DFF: Freitag, 15. März, 18:30 Uhr
Im Anschluss: Gespräch mit Nadia Qani-Schwarz (ZAN Hilfsorganisation zur Förderung der Rechte afghanischer Frauen e.V.)

Wiesbaden, Caligari FilmBühne: Montag, 15. April, 20 Uhr
Im Anschluss: Gespräch mit Zakia Roohani (Frauenwelten e.V.)

Dietzenbach, Main Kino D: Samstag, 27. April, 19:30 Uhr
Im Anschluss: Gespräch mit Aktivistin und Künstlerin Sara Nabil

Hanau Kulturforum: Mittwoch, 22. Mai, 18:30 Uhr

LOTUS SPORTS CLUB (Kambodscha 2023. R: Tommaso Colognese, Vanna Hem)

Pa Vann ist nicht nur Fußballtrainer des ersten LGBTQ+ Fußballteams Kambodschas, sondern auch Trans*-Mann, Lehrer, Vaterfigur und Familienoberhaupt von einem Zuhause aller, die keins mehr haben. Fünf Jahre lang haben Tommaso Colognese und Vanna Hem die Spieler*innen des LOTUS SPORTS CLUB begleitet; daraus entstanden ist eine gleichnamige Dokumentation. Langsam erzählt der Film vom Zusammenhalt, der Leidenschaft für den Sport, dem Mut und der Hoffnung von Pa Vann, die er seinen Spieler*innen unentwegt lehrt. So fühlt man sich beim Zuschauen nicht nur wie ein stilles Mitglied der Truppe, sondern kann die Wärme trotz der mitunter deprimierenden Umstände und der erlebten Abneigung durch die Leinwand hindurchfühlen.

(Siri Scholtes)

Spieltermine

Frankfurt, Kino des DFF: Dienstag, 19. März, 17:30 Uhr
Im Anschluss: Online-Gespräch mit Andrea Hartmann (DFF) und den Regisseuren Tom Colognese und Vanna Hem

Wiesbaden, Caligari FilmBühne: Dienstag, 16. April, 20 Uhr
Im Anschluss: Gespräch mit Christian Rudolph – Projektteam out and proud (LSVD/DFB)

LE BLEU DU CAFTAN (Das Blau des Kaftans. Frankreich/Marokko/Belgien 2022. R: Maryam Touzani)

Mina und Halim betreiben eine kleine Kaftan-Schneiderei in der Altstadt der marokkanischen Stadt Salé. Halim widmet sich der traditionellen Kunst der handgestickten Verzierungen mit stiller Hingabe. Als eine Kundin vorschlägt, er solle doch mit der Nähmaschine arbeiten, um ihren Kaftan schneller fertigzustellen, reagiert Mina ungehalten: Ihr Mann sei ein „Maalem“, ein Schneidermeister, dessen Kunsthandwerk keine Eile dulde. Skeptisch beobachtet sie auch den neuen Lehrling Youssef, der die Beziehung zwischen ihr und Halim aus dem Gleichgewicht bringt. Als Mina krank wird, ist der Fortbestand des kleinen Ladens gefährdet.

Regisseurin Maryam Touzani erzählt in LE BLEU DU CAFTAN eine komplexe Beziehungsgeschichte zwischen zwei Menschen, die einander aufrichtig und doch auf unterschiedliche Weise lieben. Anders als andere Dreiecksgeschichten inszeniert der Film die heterosexuelle Ehe hier nicht als Gefängnis und die Frau nicht als Hindernis auf dem Weg zur Befreiung. Mina wird als selbstbewusste, entschlossene und humorvolle Frau gezeichnet, die auch mal in einem Café voller Männer eine Pfeife raucht oder einem Polizisten bei einer willkürlichen Kontrolle Kontra gibt. Halim dagegen ist ein ruhiger, sanftmütiger Mann, in dessen Blicke und Gesten seine tiefe Verbundenheit zu Mina Ausdruck finden, während sie zugleich seine innere Zerrissenheit offenbaren. Die empathische Figurenzeichnung ist es auch, die den Film davor bewahrt, ins Melodramatische abzugleiten. Stattdessen ist LE BLEU DU CAFTAN eine nuanciert erzählte Geschichte von Liebe und Respekt, unerfülltem Verlangen und Einsamkeit.

(Naima Wagner)

Spieltermin

Frankfurt, Kino des DFF: Dienstag, 19. März, 15 Uhr

TOPOS (Moles. Kolumbien 2021. R: Carlos Zapata)

Mord, Vergewaltigung, Drogenkonsum, Bettelei, Überlebenskampf. Das ist für die Straßenkinder in Kolumbien trauriger Alltag. So auch für Titi und seine fünfköpfige Bande aus Straßenkindern. Zusammen versuchen sie zu überleben und füreinander zu sorgen. Als Titi nach einem Streit die Gruppe verlässt, muss er bei seiner Rückkehr feststellen, dass seine Freunde auf grausame Weise ermordet wurden. Von da an ist Titi auf sich allein gestellt, muss sich selbst seinen Lebensunterhalt verdienen, einen Schlafplatz suchen und auf sich aufpassen. Als Titi das Straßenmädchen Ratona kennenlernt, beschließen sie, ihren Weg gemeinsam zu bestreiten. Doch was Titi nicht weiß: Ratona ist in der Lage, die Geister seiner getöteten Freunde zu sehen und mit ihnen zu sprechen.

Regisseur Carlos Zapata gelingt es in TOPOS hervorragend, die tragischen Schicksale der kolumbianischen Straßenkinder einzufangen und damit die Zuschauer:innen zum Nachdenken anzuregen. Einige Szenen des Films sind so mitreißend, dass man am liebsten in die Handlung eingreifen möchte. In der zweiten Hälfte des Films nimmt der Film eine stilistische Wendung und fügt mit der Einführung der Geister der bis dahin realistisch erzählten Geschichte phantastische Elemente hinzu. Dies eröffnet dem Film neue Möglichkeiten der Darstellung, ohne dabei die Ernsthaftigkeit des Themas aus dem Blick zu verlieren und macht so auf das Leid der kolumbianischen Straßenkinder aufmerksam.

(Pascal Kirchner)

Spieltermine

Frankfurt, Kino des DFF: Sonntag, 17. März, 17:30 Uhr
Im Anschluss: Gespräch mit Sozialarbeiterin Sophia Behl (OSSIP), Pflegehelfer Daniel Fernando Cruz (Aschaffenburg) und Tharaka Sriram (DaMigra)

Offenbach, Hafenkino: Sonntag, 5. Mai., 20 Uhr
Im Anschluss: Gespräch mit Sozialarbeiterin Sophia Behl (OSSIP), Pflegehelfer Daniel Fernando Cruz (Aschaffenburg) und Tharaka Sriram (DaMigra)