Filmblog // THE MENU

von Linda Kiehne

Immer wieder zuckt man leicht im Kinositz zusammen, wenn Ralph Fiennes als berühmter und autoritärer Küchenchef Slowik laut in die Hände klatscht, um den nächsten Gang des Menüs anzukündigen. Nachdem er sich mit dieser Geste zu Beginn des Abends noch großen Respekt verschafft hatte, löst das Geräusch bei den Gästen später nur noch blanke Angst aus. Denn jedes Klatschen läutet die nächste böse Überraschung ein, die Slowik gemeinsam mit dem Personal für seine Restaurantbesucher:innen geplant hat. „It’s part of the menu“, verheißt er stets in gelassenem Tonfall.

Dabei geht alles so friedlich los in Mark Mylods Thriller-Komödie THE MENU (US 2022. R: Mark Mylod). Gourmet Tyler (Nicholas Hoult) und seine Begleitung Margot (Anya Taylor-Joy) werden gemeinsam mit einer Reihe weiterer Gäste auf eine abgelegene Insel gebracht, wo sie im Restaurant „Hawthorn“ ein herausragendes Menü erwartet. Dabei versucht eine:r den anderen an Wichtigtuerei zu überbieten, wenn es um die Kenntnisse zur Exklusivität der Speisen geht. Ganz vorn dabei ist Tyler, der glaubt, Slowiks größter Bewunderer zu sein und während der pathetischen Willkommensrede des Küchenchefs theatralisch ein paar Tränen verdrückt. Margot hingegen ist nur schwer zu begeistern und weigert sich zu essen. Schon bald wird klargemacht, dass sie hier nicht willkommen ist, da sie nur spontan als Tylers Begleitung einsprang und somit nicht auf der ursprünglichen Gästeliste steht. Schließlich ist alles genauestens geplant und auf die angemeldeten Besucher:innen abgestimmt. Anstatt seinen Gästen bloß das von ihnen erwartete, ganz besondere Mahl zu servieren, hat Slowik einen kaltblütigen Plan ausgeheckt, von dem Margot als Erste erfährt und in der Folge vor einer schweren Entscheidung steht. Bald merken auch die anderen Gäste, dass Slowik ein gefährliches Spiel mit ihnen spielt, das vermutlich für niemanden ein gutes Ende nehmen wird.

Indem Mylod die „Haute Cuisine“ zum Gegenstand seines Filmes macht, behandelt er Themen wie die Entstehung von Kunst, sowie deren Konsum und Rezeption. Es geht um Erwartungen des Künstlers an den Rezipienten sowie um die Ansprüche des Künstlers an sich selbst. Denn Slowik sieht sich selbst als Künstler, nicht nur als Küchenchef. Sein Hass auf die Gäste lässt ihn fast vergessen, worauf es ihm als Kunstschaffender während der Entstehung seiner Speisen in der Küche wirklich ankommt.

THE MENU ist eine durchweg spannungsgeladene Satire, die einige überraschende Momente parat hält. Sie schafft es, die Kinobesucher:innen in einem Moment zum Lachen zu bringen, um im nächsten Augenblick Schock auszulösen. Zu verdanken ist dies unter anderem Anya Taylor-Joy und Ralph Fiennes, die mit ihrer großartigen Performance besonders hervorstechen. Gerade Letzterer erzeugt mit seiner steinernen und durchdringenden Miene eine furchterregende Präsenz, die einen schaudern lässt. Im Gegensatz zum stark ausgearbeiteten Antagonisten bleibt die Figurengestaltung des Küchenpersonals oberflächlich. Was Slowiks Angestellten dazu motiviert, sich ihrem Chef derart unterzuordnen und Teil seines zerstörerischen Plans zu sein, bleibt offen. Auch Tyler trägt ein Geheimnis mit sich, dessen Auflösung sich nicht vollständig logisch erschließen lässt. Wer aber auf eine Mischung aus höchster Spannung, schwarzem Humor und Zynismus steht und über ein paar Logiklücken hinwegsehen kann, sollte sich THE MENU nicht entgehen lassen.