Solidarität in der Frankfurter Filmkultur?

Solidarität in der Frankfurter Filmkultur?

Über schließende Kinos, ein fehlendes Festivalzentrum in Frankfurt und hochfliegende Konzepte für neue Institutionen. Gedanken zum Lichter-Panel vom 30.04.2021

Von Christine Kopf

Das Haus der Filmkulturen steht in Frankfurt. Es wurde 1984 eröffnet und strahlt seitdem in der Tat, ich zitiere den Moderator Rüdiger Suchsland: „in allem, was es ist“. Das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum ist nicht nur Kino, Archiv und Museum, es veranstaltet Filmfestivals, kooperiert mit zahlreichen Frankfurter Filminitiativen, ist ebenso beispielgebend in der Filmvermittlung wie bei seinen vielfältigen digitalen Projekten. Das DFF erfüllt gemeinsam mit der Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin und dem Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin/Koblenz die Funktionen einer Deutschen Kinemathek – ein besonderes Modell in einem föderalen Land.

Dass das DFF gerade in Frankfurt steht, ist kein Zufall. Sein lebendiges Dasein speist sich aus der vitalen Filmkultur der Stadt, zu der Filmtheoretiker:innen, von Siegfried Kracauer bis Heide Schlüpmann, ebenso fundamental beitragen wie die „letzte Bastion“ unter den Filmmagazinen, epd Film, eine überaus aktive Filmwissenschaft an der Goethe-Universität sowie natürlich eine vielfältige Festivalszene (inklusive der rührigen „Lichter“!). Neben der wichtigen Unterstützung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien verdankt sich die Existenz des “Hauses für den Film”, wie Hilmar Hoffmann es immer nannte, auch einer Kulturpolitik auf kommunaler und auf Landesebene, die sich bewusst und programmatisch für den Unterhalt einer solchen Institution entschied und entscheidet. Werden wir mal konkret: das DFF hat 200 freie und feste cinephile Mitarbeiter:innen und einen Jahresetat von knapp 10 Millionen Euro (mehr als die Hälfte davon wollen mit viel Herzblut und Lebenszeit jedes Jahr neu akquiriert werden, um die zahlreichen Ideen und filmkulturellen Aktivitäten umsetzen zu können).

Das DFF nun kurzerhand auf seinen nationalen Auftrag für das Filmerbe, sowie auf das Museale und Archivarische, zu reduzieren (wie es vergangenen Freitag beim Lichter-Panel geschah, siehe hier), mag Kalkül sein, wenn man selbst eine vorgeblich neue, visionäre Form von Institution durchsetzen möchte. Für Solidarität in der Filmkultur, die Panelistin Gabu Heindl angesichts einer neoliberalen Gesellschaft fordert, steht diese Geste eher nicht.  Das Lichter-Konzept von Kenneth Hujer bildet schlicht ab, was das DFF seit Jahrzehnten tut: vom ambitionierten Kinoprogramm (das durch kontinuierliche Zusammenarbeit mit den zahlreichen Frankfurter Communities schon divers war, als das Wort noch nicht Konjunktur hatte) bis zu den Projekten, die Film und Kino schon seit den 1990er Jahren ganz selbstverständlich auch im Digitalen verorten und deren Schnittstellen zur Videokunst und Games ausloten (davon zeugen Ausstellungen mit Veranstaltungsprogramm wie „Sound & Vision“, „Film und Games“, „Fassbinder – Jetzt“, „Digital Revolution“ oder auch das neu gelaunchte „Rhizom Filmgeschichte“). Was die Lichter-Gäste und ein Moderator aus anderen Städten vielleicht nicht unmittelbar präsent haben, Frankfurter:innen aber schon: In enger Kooperation mit der Goethe-Universität bietet das DFF nicht nur regelmäßig Serien von Lectures zu filmwissenschaftlichen Themen, veranstaltet selbst oder trägt zu universitären Symposien bei, seit 2013 organisieren das Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität und das DFF darüber hinaus einen eigenen Master-Studiengang Filmkultur – den deutschlandweit ersten seiner Art.

Ebenfalls 2013 gründete die damalige Direktorin des DFF, Claudia Dillmann, eine neue Abteilung für Filmbildung und -vermittlung. Seitdem wird in Frankfurt die Filmbildung konsequent aus dem Geist der Filmkultur gedacht, werden Projekte auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene konzeptionell entwickelt, finanziert und durchgeführt. Solidarisch und gut vernetzt mit den anderen Aktiven auf diesem Gebiet, denen das Thema wichtig ist (u.a. auch im Hauptverband der Cinephilie, hier sei dieses kollektiv geschriebene Papier empfohlen). Sonntagsredner:innen und -schreiber:innen zum Thema Filmkultur & Filmbildung erkennt man (und frau) häufig daran, dass sie, obwohl selbst Cinephile, für junge Menschen etwas anderes fordern: die sollen erstmal Film lesen lernen. Und dazu wird dann eine aus der Sozialwissenschaft kommende Medienpädagogik bemüht, die von ihren Wurzeln her leider gar nicht daran interessiert ist, eine Liebe zum Medium zu stiften, sondern eher daran, junge Menschen vor einer drohenden Manipulation zu bewahren.

Sowohl die junge Generation als auch die Filmkultur haben Besseres, Tieferes verdient. Daran arbeitet das DFF seit Jahren mit viel Erfolg. Kenneth Hujer, Johanna Süß und Gregor Schubert möchte ich daher herzlich einladen zu einem  gemeinsamen Filmbildungsprojekt. Im Sinne von Gabu Heindl teilen wir gerne unseren Raum.

In Frankfurt haben während der Pandemie zwei wertvolle Orte der Filmkultur, das Berger Kino und auch das älteste Kino der Stadt, das Eldorado, in den vergangenen Wochen ihre Pforten schließen müssen. Hier wünscht sich das Team des DFF, dass die in der Filmkultur Aktiven dieser Stadt sich gemeinsam dazu verhalten und mit der sich neuformierenden städtischen Kulturpolitik ins Gespräch gehen über das, was hier akut zu tun ist. Die Energie, die in das Schreiben und Bewerben eines Konzeptes für ein zweites Haus der Filmkulturen in Frankfurt fließt, wäre aus unserer Sicht  in einer solidarischen Aktion für ein seit Jahren tatsächlich dringend benötigtes Frankfurter Filmfestival-Zentrum sehr gut investiert. Das Teilen von Räumen mit filmkulturellen Initiativen hat im DFF lange Tradition, auch die Lichter nutzen das Kino des DFF seit 2012  für ihr großartiges Festivalprogramm, Nippon Connection, das Frankfurt Film Kollektiv und die Asta Nielsen Kinothek sind ebenfalls bei uns Stammgäste. Dass vor allem seit Auslaufen des städtischen Vertrages mit dem Cinestar Metropolis bei vielen Filmfestivals, auch jenen des DFF, trotzdem Raum für eine lebendige Festivalkultur fehlt, verschwindet nun fast in der Debatte über eine neue Rieseninstitution. Dabei könnten gerade die Lichter ein solches Frankfurter Filmfestivalzentrum mit ihrer Cinephilie und ihrem Enthusiasmus strahlen lassen.

Titelbild: Inmitten einer Trümmerlandschaft im zerstörten Frankfurt suchten Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg Trost und Ablenkung im Scala. Quelle: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main