Synchro-Chaos auf der Autobahn

Was haben Alarm für Cobra 11, die vietnamesische Volksarmee, eine gelangweilte Thai, die beste Ananas meines Lebens und das gestern Abend eröffnete LUCAS-Filmfestival gemeinsam? Zum Glück nicht viel. Schließlich fliegen in den LUCAS-Filmen keine explodierenden Autos durch die immer gleiche Baustelle. Und langweilig wird das Filmfest garantiert auch nicht.

Dafür sorgen nicht nur die Filme selbst, sondern auch ihre Präsentation. Alle Wettbewerbsfilme werden in ihrer Originalsprache und englischen Untertiteln gezeigt. Für die jüngeren Kinofans gibt es die Vorführungen der Alterssektionen 8+ und 13+ mit deutscher Live-Einsprache oder bei uns im Kino wahlweise in der Originalsprache über Kopfhörer. Welchen Vorteil das hat? Maximale kulturelle Vielfalt, internationales Flair und Gefühle, die Schauspieler/innen in ihrer Muttersprache nun mal am besten vermitteln können. Von unübersetzbaren Wortwitzen einmal ganz abgesehen.

Dabei haben wir in Deutschland sogar noch richtig Glück mit unserer Synchronisations-Landschaft. Engagierte Synchronsprecher/innen nehmen uns das Lesen von Untertiteln ab und vermitteln das Geschehen auf der großen Leinwand mindestens genauso gut wie ihre „Körperdoubles“. Logisch, meckern kann (und will) man natürlich immer, aber wie gut die deutschsprachige Synchro-Szene tatsächlich ist, merkt man erst, wenn man einen Blick über den Tellerrand wirft.

So geschehen in Ho-Chi-Minh-City: In einem vom vietnamesischen Militär betriebenen Hotel im inneren Bezirk der Stadt, immer noch Saigon genannt, zappe ich auf der Suche nach mittäglicher Unterhaltung durch die Programme. Ein Bollywood-Musical, ein koreanisches Drama, japanische Animationsfilme und ein stocksteifer Nachrichtensprecher fliegen vor meinen Augen vorbei. Dann die Überraschung: Erdoğan Atalay schießt als Kriminalhauptkommissar Semir Gerkhan in bester Alarm-für-Cobra-11-Manier aus dem Fenster seines BMW. Es folgt das audio-visuelle Chaos. Also, noch mehr als sonst: Gut kann ich den deutschen Originalton (inklusive obligatorischer Explosion) hören. Darüber spricht ohne Atempause und nur minimal lauter eine sehr emotionslose Synchronsprecherin auf – wie ich später herausfand – Thai. Dazu laufen in riesigen Lettern vietnamesische Untertitel über den Bildschirm und verdecken den Großteil des Geschehens. Nach fünf Minuten legt sich die anfängliche Belustigung und ich bin nur noch überfordert. Weiterschalten: Fußball geht immer, egal in welcher Sprache. Und nebenbei esse ich dann endlich die bereits eingangs erwähnte leckerste Ananas meines Lebens.

Wer sich jetzt einen kleinen Überblick über die Synchronisationsarbeiten in verschiedenen Ländern machen will, hier ein kleiner Tipp: Spongebob in 24 different languages auf YouTube suchen. Immer einen Lacher wert. Und wer Lust auf internationales Flair im Kino hat, kann sich bis Donnerstag, 26. September, in einem der LUCAS-Festival-Kinos Wettbewerbsfilme aus der ganzen Welt anschauen.

Von Simon Bloemers

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