RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH

RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH

Von Frauke Haß

Herbst 2001. Eine Bremer Mutter klopft am späten Vormittag an die Zimmertür ihres 19-jährigen Sohnes und mahnt ihn – ohne Erfolg – , endlich aufzustehen. Als sie schließlich das Zimmer betritt, stellt sie fest, dass er gar nicht im Bett war. Murat ist verschwunden. Unterwegs nach Pakistan, wie sie bei seinem Anruf vom Frankfurter Flughafen kurze Zeit später erfährt.

Für Rabiye Kurnaz ist das der Beginn eines Albtraums. Eines Albtraums, der fast fünf Jahre lang währt. Um vor seiner Hochzeit seinen islamischen Glauben in einer Koranschule zu vertiefen, so gibt er selbst es an, ist Murat heimlich nach Pakistan gereist. Doch schon bald wird er von der pakistanischen Armee festgenommen und für 3000 Dollar an die US-Streitkräfte verkauft, die ihn im Januar nach Guantànamo auf Kuba bringen, in jenes Straflager, in dem in den kommenden Jahren hunderte Männer, denen die USA Terrorismus unterstellen, unter menschenverachtenden Bedingungen weggesperrt werden – ohne Anklage, ohne Prozess, viele werden gefoltert.

Doch um Murat Kurnaz wird gekämpft. Zäh und beharrlich arbeitet seine Mutter daran, ihn aus jenem fernen Lager, in dem die Gefangenen anfangs in Käfigen „gehalten“ werden, frei zu bekommen. Sie schreibt Briefe, sie telefoniert, sie überzeugt den Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke, den Fall zu übernehmen. Jahre wird Docke an dem Fall arbeiten und alle Hebel in Bewegung setzen, um den offenbar unschuldigen Murat frei zu bekommen. Schließlich reist das ungleiche Team Rabiye Kurnaz/Bernhard Docke – in der von einem Hollywood-Schauspieler finanzierten Business Class – sogar gemeinsam nach Washington, um zusammen mit anderen Angehörigen von Guantánamo-Gefangenen eine Sammelklage beim Supreme Court einzureichen.

Den Kampf dieser temperamentvollen Rabiye Kurnaz im Bund mit dem norddeutsch-nüchternen Docke zeichnet Andreas Dresens Film RABIYE KURNAZ VS. GEORG W. BUSH auf Basis von Laila Stielers auf der Berlinale ausgezeichnetem Drehbuch auf bewegende Weise nach. Garant dafür ist die  herausragende Leistung der beiden Hauptdarsteller: die ebenfalls auf der Berlinale ausgezeichnete Meltem Kaptan, die mit ihrem furiosen Spiel immer hart an der Grenze zur Comedy balanciert, diese aber nie überschreitet. Alexander Scheer gibt Bernhard Docke und man mag kaum glauben, dass dieser nüchterne Rechtsanwalt und trockene Anzugträger, der vom Temperament Rabiyes immer ein wenig überwältigt scheint, auch schon der langhaarige Sänger Gundermann in Dresens gleichnamigem Film gewesen sein soll.

Die beiden fangen den Clash der Temperamente im Zusammenspiel dabei sehr amüsant ein, ohne diesen angesichts des ernsten Themas in den Ulk kippen zu lassen. Doch der Konfrontation von übersprudelnder türkischstämmiger Mutter und betont korrektem Juristen, den schon ihre zehnminütige Verspätung zu einem Termin sichtlich verzweifeln lassen, schaut man mit großem Vergnügen zu.

Dabei ist immer klar: Die Lage ist ernst und Bernhard Docke kämpft mit aller Kraft. Macht Eingaben ans Auswärtige Amt, korrespondiert mit US-Juristen, ganz am Ende sogar mit der eben ins Amt gekommenen Kanzlerin Angela Merkel. Doch wer kann diesen Einsatz auf so hohem Niveau fünf Jahre lang aushalten? Rabiye Kurnaz zerbricht fast an der Belastung, an der Aussichtslosigkeit des Kampfes, die noch dadurch verstärkt wird, dass der deutsche Staat offenbar nicht nur nicht hilft, sondern die Befreiung Kurnaz‘ schon 2002 hintertrieben zu haben scheint. Das jedenfalls scheint Docke herausgefunden zu haben.

Ein grandioser, mitreißender Film. Ein Film, der viel Spaß macht und einem jede Menge Futter zum Nachdenken gibt.

Am Ende steht aber auch fest: Von der Comedienne Meltem Kaptan, deren erste Kinofilmrolle die Figur der Rabiye Kurnaz war, werden wir noch viel hören.

Credits: Alle Fotos: Luna Zscharnt, Copyright: Pandora Film

RABIYE KURNAZ GEGEN. GEORGE W. BUSH ist am 21. Juni im Kino des DFF zu sehen. Zu Gast ist Drehbuchautorin Laila Stieler, die für ihre Arbeit den Silbernen Bären bei der Berlinale gewann. Tickets sind voraussichtlich ab Ende Mai verfügbar.