38. Bonner Sommerkino – Internationale Stummfilmtage

Zum 38. Mal findet vom 11. bis 21. August in Bonn das Bonner Sommerkino – Internationale Stummfilmtage statt, das größte Stummfilmfestival Deutschlands, veranstaltet vom Förderverein Filmkultur Bonn, und zum zweiten Mal in Kooperation mit dem DFF. Zu sehen sind neu restaurierte Klassiker, Raritäten und Wiederentdeckungen. Sechs Filme laufen auch in Frankfurt, teils mit Musikbegleitung.

Zur Podcast-Folge mit Eva Hielscher, Sammlungsleiterin am DFF und Co-Kuratorin bei den Stummfilmtagen:

Filmstill ATLANTIS, Hauptfigur vor einer großen Blume

Förderverein Filmkultur Bonn

Mittwoch  17.08.2022

18:00 Uhr

MORAL

Deutschland 1928. R: Willi Wolff. D: Ellen Richter, Jacob Tiedtke, Ralph Arthur Roberts. 81 Min. DCP
Klavierbegleitung: Uwe Oberg
Filmreihe: 38. Internationale Stummfilmtage

Ellen Richter war eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen des deutschen Stummfilms; seit 1915 spielte sie vor allem in Abenteuerfilmen. In der Tat war sie so erfolgreich, dass sie 1920 ihre eigene Produktionsgesellschaft gründen konnte. Fortan drehte sie ihre Filme unabhängig, mit ihrem Ehemann Willi Wolff als Drehbuchautor und Regisseur. MORAL ist eine Verfilmung des gleichnamigen Lustspiels von Ludwig Thoma, in dem der Sittlichkeitsverein eines kleinen Ortes den Auftritt einer umherziehenden Revuetruppe zu verhindern sucht, weil er die Moral gefährdet sieht. Was sich offenbart, ist jedoch die herrschende Doppelmoral. Ellen Richter spielt Ninon, die Chefin der Tanztruppe.

Donnerstag  18.08.2022

20:30 Uhr

LJUDYNA Z KINOAPARATOM

Der Mann mit der Kamera
UdSSR 1929. R: Dziga Vertov. Dokumentarfilm. 68 Min. 35mm. OF (ohne Zwischentitel)
Original version
Klavierbegleitung: Uwe Oberg
Filmreihe: 38. Internationale Stummfilmtage

Die 1920er Jahre bedeuteten für die russische Gesellschaft eine Zeit des Umbruchs, denn die Februar- und Oktoberrevolutionen von 1917 hatten die Herrschaftsverhältnisse grundlegend verändert. Viele Filmemacher waren sich ihrer Kraft bewusst und nutzten das Medium des bewegten Bildes, um die sozialistische Gesellschaftskonstruktion in Szene zu setzen. Der Dokumentarfilm "Der Mann mit der Kamera" zeigt einen normalen Tag in einer russischen Großstadt, verknüpft diese Darstellungen jedoch mit ihrem filmischen Entstehungsprozess: Der Kameramann ist oft selbst im Bild präsent und auch der Montageprozess, das Zusammenfügen der Aufnahmen im Schneideraum, ist Teil der Erzählung. Darüber wird Dsiga Wertows Werk zu einer Art von visuellem Manifest, das dem Dokumentarfilm und seinem reinen Faktensammeln eine Absage erteilt und stattdessen das Leben vom Standpunkt des mit der Kamera bewaffneten Auges zeigt.

Freitag  19.08.2022

20:30 Uhr

BLIND HUSBANDS

Blinde Ehemänner
USA 1919. R: Erich von Stroheim. D: Sam DeGrasse, Francelia Billington, Erich von Stroheim. 100 Min. DCP. OF
Original version
Musikbegleitung: Cellophon (Cello Duo)
Filmreihe: 38. Internationale Stummfilmtage

Erich von Stroheims Debutfilm als Regisseur ist auch einer der ganz wenigen, die er ohne Intervention des Studios beenden konnte. Ein amerikanischer Arzt kommt mit seiner Frau in die Dolomiten, wo er seinem Hobby als Bergsteiger nachgehen kann; währenddessen verfällt die gelangweilte Ehefrau dem Charme eines österreichischen Leutnants, gespielt von Stroheim selbst. Ein Bergfilm – und ein Film erotisch aufgeladener Blicke und Gesten; alle typisch Stroheimschen Themen sind hier schon voll ausgebildet. Die neue Restaurierung des Österreichischen Filmmuseums ermöglicht es, zum ersten Mal seit dem Ersteinsatz des Films das komplette Original zu sehen.

Samstag  20.08.2022

18:00 Uhr

LASTER DER MENSCHHEIT

Deutschland 1927. R: Rudolf Meinert. D: Asta Nielsen, Werner Krauß, Alfred Abel. 87 Min. DCP
Klavierbegleitung: Florian Hauck
Filmreihe: 38. Internationale Stummfilmtage

Zur Entstehung von LASTER DER MENSCHHEIT schrieb der Regisseur Rudolf Meinert seinerzeit: „Die weibliche Hauptrolle sollte eine Mutter sein, die, durch und durch Kokainistin, alles daransetzt, ihre Tochter von diesem Übel und den Menschen, die ein Gewerbe damit treiben, zu bewahren. Nach meiner Meinung eine ,tolle Rolle‘. Die Nielsen könnte sie ja spielen – die Nielsen ist die einzige –, aber die Nielsen hatte schon lange nichts mehr gedreht.“ Zum Glück übernahm Asta Nielsen die ungewöhnliche Rolle als von Kokain- und Opiumsucht zerstörte Opernsängerin. Mit diesem Film wurde auch ein mehr als einjähriger Boykott Nielsens durch die deutsche Filmindustrie gebrochen. Zu sehen ist eine Restaurierung der Cinémathèque Royale de Belgique.

Sonntag  21.08.2022

18:00 Uhr

GUNNAR HEDES SAGA

Herrenhofsaga
Schweden 1923. R: Mauritz Stiller. D: Einar Hanson, Mary Johnson, Pauline Brunius. 70 Min. DCP
Musikbegleitung: Günter Buchwald (Klavier, Violine)
Filmreihe: 38. Internationale Stummfilmtage

GUNNAR HEDES SAGA war der vorletzte Film, den Mauritz Stiller in Schweden vor seiner Abreise nach Hollywood drehte. Nach einem Roman von Selma Lagerlöf entstanden, welchen Stiller sehr frei adaptierte, erzählt der Film von einem jungen Mann, der gern Musiker werden möchte, nach dem frühen Tod des Vaters auf Wunsch seiner Mutter aber das Familienunternehmen weiterführen soll. Er verlässt daraufhin sein Heim, hat aber einen schweren Unfall. Der Grundkonflikt ist also der zwischen Geschäft und Kunst, mit einer kräftigen Dosis nordischer Mystik. Zu sehen ist eine neue digitale Restaurierung des Schwedischen Filminstituts.

Dienstag  23.08.2022

20:30 Uhr

ATLANTIS

Dänemark 1913. R: August Blom. D: Olaf Fønss, Ida Orloff, Ebba Thomsen. 116 Min. DCP. Musikfassung
Einführung: Thomas Christensen (Danish Film Institute) und Eva Hielscher (DFF/Internationale Stummfilmtage Bonn)
Filmreihe: 38. Internationale Stummfilmtage

ATLANTIS, eine Adaption des gleichnamigen Romans von Gerhart Hauptmann aus dem Jahre 1912, war die aufwendigste Produktion der Nordisk Film und der erste dänische Monumentalfilm. Hauptfigur ist der Biologe Friedrich von Kammacher, dessen Frau den Verstand verliert und der sich in eine junge Tänzerin verliebt, welcher er auf einem Ozeandampfer nach Amerika folgt. Trotz allem äußeren Aufwand – Bravourstück des Films ist ein realistisch inszeniertes Schiffsunglück – ist ATLANTIS im Wesentlichen das eindringliche psychologische Portrait eines Mannes, der in eine geistige und psychische Krise gerät. Darüber hinaus gibt der Film ein sehr plastisches Bild des bourgeoisen Lebens unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg. Der Film wurde in der Rezeption stets in Verbindung mit dem Schicksal der Titanic gebracht, die 1912 sank. Zu sehen ist eine neue 4K-Digitalisierung des Dänischen Filminstituts.