Filmerbe – digital. Film Preservation Weekend

Seit 2013 widmet sich das Filmarchiv des DFF in großem Umfang der Digitalisierung und Restaurierung analoger Filme aller Genres und Filmformate. Mittlerweile sind mehr als 500 digitale Kopien (DCPs) verfügbar gemacht worden. Sie werden über den Filmverleih des DFF vertrieben. Die Reihe Filmerbe – digital. Film Preservation Weekend gibt im Januar zum vierten Mal einen Einblick in die digitalisierten Schätze aus dem Filmarchiv des DFF. Am vorletzten Januar-Wochenende führen Archiv- und Projektmitarbeiter:innen in ausgewählte Werke ein und liefern Hintergrundinformationen zu den Herausforderungen der Digitalisierungsarbeit. Vielen der Programme ist eine kurze Trickfilmschleife („Litho-Loop“) aus dem frühen 20. Jahrhundert vorangestellt.

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Donnerstag  18.01.2024

18:00 Uhr

WAS IST LOS MIT NANETTE?

Deutschland 1929. R: Holger Madsen. D: Ruth Weyher, Georg Alexander, Margarete Kupfer. 92 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): CLOWNSGESICHT
Einführung: Oliver Hanley
Musikbegleitung: Studierende der HfMDK Frankfurt unter der Leitung von Prof. Ralph Abelein
Filmreihe: Filmerbe – digital

Durch eine Spekulation geht Richard Curtius pleite. Da trifft es sich, dass seine Frau Otti von einer reichen Tante geerbt hat. In Wahrheit tritt sie aber als Varietétänzerin auf, während ihr Ehemann von ihrem Doppelleben nichts mitbekommt. Doch eines Tages steht die vermeintlich tote Tante plötzlich vor der Haustür… Holger Madsens spritzige Komödie mit gesellschaftskritischen Zügen ist der einzige Film, den Schauspielerin und Filmstar Ruth Weyher mit ihrer eigenen Produktionsfirma realisiert hat. Als Grundlage für die aufwändige Restaurierung in 4K-Auflösung diente das Original-Kamera-Negativ, welches das DFF von den Erben Ruth Weyhers übernommen hat.

Freitag  19.01.2024

16:00 Uhr

PLATZWUNDER

BRD 1984. R: Reinhard Kahn, Michael Leiner. D: Barbara Kusenberg, Ursula Braun, Christoph Grau. 96 Min. DCP
Einführung: Michael Schurig
Filmreihe: Filmerbe – digital

PLATZWUNDER ist ein reiner Bilderfilm, der sich mit den Mitteln gängiger Inhaltsbeschreibung kaum fassen lässt. Am Anfang von PLATZWUNDER stand allerdings auch das Wort: ein literarisches, phantastisches Drehbuch, eine Aneinanderreihung von Unverfilmbarem, Stimmungen, Eindrücken. Obwohl die Regisseure ein herrliches Schwarzweiß auf die Leinwand bringen, möchte man immerzu von Farbigkeit, von Buntheit reden. Lust an der unschuldigen Erfindung, Freude an der schillernden Oberfläche strahlt dieser Film aus, der gebaut ist wie ein Puzzle. Frieda Grafe, die Grande Dame der deutschen Filmkritik, schrieb in ihrer Kolumne Filmtipps über den Film: „… Das Kino ist ein Zirkuspferd – statt es zur Darstellung zu gebrauchen, führen die Autoren vor, was es kann…“. Das Filmemachen haben die Regisseure Reinhard Kahn und Michael Leiner am Ulmer Institut für Filmgestaltung gelernt; seit den 1960er Jahren veröffentlichten sie ein Dutzend zum Teil abendfüllender Filme.

18:00 Uhr

BRAND IN DER OPER

DE 1930. R: Carl Froelich. D: Gustav Fröhlich, Gustaf Gründgens, Alexa von Engström. 87 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): PFERD UND REITER
Einführung: Anke Mebold
Filmreihe: Filmerbe – digital

Gustav Gründgens agiert als ruchloser Mäzen, der die Besetzung weiblicher Rollen der Bühnenproduktionen des städtischen Opernhauses routiniert nach eigenen sexuellen Gelüsten mitgestaltet, toleriert von der gesamten Belegschaft. Der marode Kulturbetrieb wird von wenigen Aufrichtigen vorangebracht, darunter die talentierte, widerstandsfähige Sängerin Alexa Engström, und der Sekretär des Mäzens. Legendäre Akteure der Berliner Musikbühnen und Filmmusik - wie Jarmila Novotna, Hendrik Appels, und Bruno-Seidler-Winkler sind zu sehen und hören. Carl Froelichs zweiter „hundertprozentiger Tonfilm“ ist bis heute außergewöhnlich wirkungsvoll als atemberaubende, überbordende Demonstration der Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit von Aufnahme-und-Wiedergabe-Technik des Tobis Tonfilm-Systems im Jahr 1930. Gleichzeitig wirkt die MeToo-Geschichte mit sorgfältig ausbalancierten Elementen von subversiv doppeldeutigem Humor und packendem Drama trotz ihres zeittypischen Happy Ends auch auf inhaltlicher Ebene erstaunlich aktuell.

20:30 Uhr

... HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN

BRD 1959. R: Frank Wysbar. D: Joachim Hansen, Wilhelm Borchert, Wolfgang Preiss. 97 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): U-BOOT UND DAMPFSCHIFFE
Einführung: Holger Ziegler
Filmreihe: Filmerbe – digital

HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN ist das bekannteste Werk des Regisseurs Frank Wysbar. Die Handlung bewegt sich um die Schlacht von Stalingrad aus Sicht der eingekesselten deutschen Soldaten. Der junge, nationalsozialistisch geprägte Oberleutnant Wisse wird im Herbst 1942 als Verbindungsoffizier nach Stalingrad versetzt. Als sich die Lage dramatisch zuspitzt, erkennt Wisse die Sinnlosigkeit dieses Krieges und wendet sich mehr und mehr von der Nazi-Ideologie ab. Der Film beschreibt die Brutalität militärischer Logik, die Individuen als zu verschleißendes Material betrachtet und das vergebliche Auflehnen der Menschlichkeit gegen sinnlose Entscheidungen. HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN ist weder ein klassischer Kriegsfilm noch ein typischer Anti-Kriegsfilm. Den historischen Ereignissen begegnet Wysbar mit den Mitteln der sachlichen Beschreibung, um die Ereignisse exemplarisch darzustellen. Die Inszenierung bleibt dabei stets zurückhaltend und ist weniger auf den Effekt angelegt als auf die genaue Darstellung der persönlichen Konflikte der einzelnen Protagonisten. Als Grundlage für die Digitalisierung diente das gekürzte Original-Negativ, in das die separat als Negativ vorliegenden Kürzungsschnitte eingefügt wurden. Kleine Fehlstellen wurden durch ein Dup-Positiv sowie der Sendekopie ergänzt.

Samstag  20.01.2024

15:00 Uhr

TANZ DER FARBEN UND DAS ENDE DER AVANTGARDE

Begegnungen mit wandelbaren Kurzfilmformen
Kurzfilmprogramm (1922–1958). R: Div. Ca. 60 Min. DCP
Einführung: Lou Burkart
Filmprogramm:
Vorfilm: ASCHENPUTTEL (DE 1922. R: Lotte Reiniger)
Vorfilm: HÄNDE (DE 1929. R: Stella F. Simon, Miklós Bandy)
Vorfilm: TANZ DER FARBEN (DE 1939. R: Hans Fischinger)
Vorfilm: ZAUBER IM ZEICHENFILM (DE 1956. R: Wolfgang Kaskeline)
Vorfilm: DIE GEBURT DES LICHTS (DE 1958. R: Franz Schömbs)
Filmreihe: Filmerbe – digital

Die deutsche Avantgarde im Film ist jenseits der Grenzen des Landes bekannt. Die technischen Entwicklungen am Ende der 1920er Jahre verliefen rasant und die Filmsprache eilte nach. Von diesen Experimenten profitierte im nächsten Jahrzehnt Hans Fischinger, Bruder des berühmten Oskar Fischinger, der 1939 mit seinem ersten – und leider letzten – Kurzfilm TANZ DER FARBEN einen großen Erfolg feiern konnte. Doch schnell setzte der Nationalsozialismus der ästhetischen Experimentierfreude ein Ende und sorgte für einen radikalen Richtungswechsel. Diese Wende ist für die Filmschaffenden schnell spürbar. Die Nachkriegszeit lässt wenig Raum für Experimente: Gewagte Kurzformen entstehen entweder im Prekariat der Eigenproduktion oder in der sich ständig wandelnden Welt der Werbung. Neben der Premiere der digitalen Restaurierung von TANZ DER FARBEN, bietet das Programm einen Überblick über diese bewegte Zeit mit Digitalisierungen aus der Sammlung des DFF.

18:00 Uhr

MARTIN NIEMÖLLER: WAS WÜRDE JESUS DAZU SAGEN?“ – EINE REISE DURCH EIN PROTESTANTISCHES LEBEN

BRD 1985. R: Wolfgang Richter, Hannes Karnick. Dokumentarfilm. 109 Min. DCP
Einführung: Thomas Worschech
Filmreihe: Filmerbe – digital

Bei all seinen Entscheidungen hatte der evangelische Theologe und Friedenspastor Martin Niemöller stets eine Frage im Hinterkopf: „Was würde Jesus dazu sagen?“ Wie würde er sich entscheiden? Was würde er tun? Die Frage war für Martin Niemöller Korrektiv und Leitlinie, alles Gegebene noch einmal aus einem anderen, menschlicheren, Blickwinkel zu betrachten. Während dreier Jahre haben Hannes Karnick und Wolfgang Richter ihre vielen Gespräche aufgezeichnet, die sie mit Niemöller geführt haben. Sein Name steht für ein Leben voller überraschender Widersprüche und Wandlungen. Der Film erzählt wenig Privates. Was sich erschließt, ist ein faszinierendes Stück Geschichte mit Sprüngen, Brüchen und Widersprüchen. Es geht um das Leben eines zuletzt 92-Jährigen, welches eng verbunden ist mit der Geschichte Preußens, Deutschlands und zweier deutscher Staaten. Es geht um einen leidenschaftlichen Pastor, der sich immer wieder in tagespolitische Auseinandersetzungen verwickelt, weil er als Richtschnur seines Tuns und Lassens nur die persönliche Verantwortung für den Willen Gottes gelten lässt.

20:30 Uhr

ES

BRD 1966. R: Ulrich Schamoni. D: Sabine Sinjen, Bruno Dietrich, Tilla Durieux. 88 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): TANZENDES PAAR
Einführung: Lou Burkart
Filmreihe: Filmerbe – digital

Ulrich Schamonis erster abendfüllender Spielfilm ist eines der ersten Werke des Jungen Deutschen Films: Ein junges, unverheiratetes Paar in West-Berlin genießt das Leben fernab der Konventionen und Regeln der Elterngeneration. Hilke ist technische Zeichnerin in einem Architekturbüro, ihr Lebensgefährte Manfred ist Assistent bei einem renommierten Immobilienmakler. Als die junge Frau erfährt, dass sie ungewollt schwanger ist, wird ihr Glück getrübt. Anstatt mit ihrem Freund darüber zu sprechen, macht sie sich allein auf die Suche nach einer Arztpraxis und verheimlicht ihm ihre Pläne. Mit ES schildert Ulrich Schamoni die Gesellschaft, in der er lebt, mit fast soziologischer Genauigkeit: das Westdeutschland der Sechzigerjahre, dessen Jugend in Aufruhr ist. Als großer nationaler Erfolg verlieh der mehrfach ausgezeichnete Film den Forderungen nach dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch Nachdruck. Für die Restaurierung konnte das Originalbildnegativ digitalisiert werden. Das Duplikatpositiv wurde als Tonquelle herangezogen und für einzelne Klammerteile bildseitig eingesetzt. Die Premiere der digitalisierten Fassung des Films fand 2023 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes in der Sektion Klassik statt.

Sonntag  21.01.2024

11:00 Uhr

DAS WIEGENLIED

Deutschland 1915. R: Max Mack. D: Rudolf Schildkraut, Aud Egede-Nissen, Leopoldine Konstantin. 70 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): WIPPE
Einführung: Anke Mebold
Musikbegleitung: Aufgezeichnete Live-Musik von Mykyta Sierov (Oboe) & E. J. Baldry (Harfe) während des Bonner Sommerkinos – Internationale Stummfilmtage 2023
Filmreihe: Filmerbe – digital

Der dramatische ‚stumme Musikfilm‘ mit Titelbezug auf Brahms weltberühmtes Wiegenlied „Guten Abend Gute Nacht“ wirft einen Blick hinter die Kulissen der Musikbranche der 1910er Jahre. Befeuert von einem ruchlosen Impresario droht der gefeierte Star-Violinist Arpad Szomory als Familienvater zu scheitern: an der Unvereinbarkeit seines Familienlebens mit den beruflichen Anforderungen des Konzertbetriebs und den Versuchungen als umschwärmte Künstlerpersönlichkeit. Seine Tochter steht Jahre später vor der gegenteiligen Herausforderung: Obwohl sie eine herausragende Violinistin ist, scheitert sie beruflich aufgrund prekärer Erwerbsverhältnisse. Die geringverdienende Musiklehrerin steht arbeitslos und obdachlos auf der Straße, nachdem sie die sexuelle Belästigung ihres Arbeitgebers abwies und wegen Mietverzugs von ihrer Vermieterin gekündigt wurde.

13:00 Uhr

DER SCHINDERHANNES

BRD 1958. R: Helmut Käutner. D: Maria Schell, Curd Jürgens. 118 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): STEINARBEITER
Einführung: Holger Ziegler
Filmreihe: Filmerbe – digital

DER SCHINDERHANNES basiert auf dem gleichnamigen, 1927 am Lessingtheater in Berlin uraufgeführten Volksstück von Carl Zuckmayer. Es handelt vom Leben und Sterben des unter dem Namen „Schinderhannes“ bekannten Räuberhauptmanns Johann Bückler. Käutners Verfilmung lehnt sich nur sehr frei an Zuckmayers Drama an, übernimmt aus diesen neben Dialogen aber auch Liedtexte. Diese werden unter anderem von Maria Schell gesungen, die während ihrer langen Filmkarriere nur selten als Sängerin in einem Film zu sehen war. Maria Schell, 1958 bereits international bekannt und mit einem Siebenjahresvertrag von MGM in der Tasche, kehrte für Produktionen wie DER SCHINDERHANNES nach Deutschland zurück. Regisseur Helmut Käutner, der ebenfalls kurz zuvor in Hollywood gearbeitet hatte, wollte nach seiner Rückkehr eine Großproduktion realisieren, für die er neben seinen beiden international bekannten Hauptdarstellern auch 4.000 Komparsen in Massenszenen aufmarschieren ließ. Die Figur des Schinderhannes ist dabei durchweg romantisierend als eine Art deutscher Robin Hood angelegt, die aufgrund der Besetzung der Titelrolle mit Curd Jürgens allein durch dessen Statur ein zusätzlich heroisierendes Potential erfährt.

18:00 Uhr

… NICHT MEHR FLIEHEN

BRD 1955. R: Herbert Vesely. D: Xenia Hagmann, Hector Mayro, Judith Folda. 68 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): ZAUBERTRICK MIT TOPFBLUME
Einführung: Benjamin Kunz
Filmreihe: Filmerbe – digital

Der damals erst 24-jährige Regisseur Herbert Vesely hatte für seinen Debütfilm alle Freiheiten. Ohne Rücksicht auf Publikumswirkung und Kassenerfolge gestaltete er ein reines Filmexperiment. Inhaltlich variiert der … NICHT MEHR FLIEHEN Albert Camus‘ Der Fremde und thematisiert die Endzeitstimmung des in den 1950ern ausgerufenen Atomzeitalters. Die expressiven schwarz-weiß-Bilder der kargen Landschaft Andalusiens stehen unter dem Einfluss Jean Cocteaus und erinnern in ihren kontrastreichen Kompositionen an die Gemälde Giorgio de Chiricos. Für das Bild konnte das vollständige Originalbildnegativ gescannt werden. Beim Ton wurde ein späteres 17,5 mm Magnetband eingesetzt, das von einem verschollenen Lichttonträger stammt.

20:30 Uhr

DER HERR VOM ANDEREN STERN

Deutschland 1948. R: Heinz Hilpert. D: Heinz Rühmann, Anneliese Römer, Hilde Hildebrand. 96 Min. DCP
Vorfilm ("Litho-Loop"): ZWERG UND RIESE
Einführung: Holger Ziegler
Filmreihe: Filmerbe – digital

Der Herr von einem anderen Stern reist durch das Universum und landet versehentlich auf der Erde. Schnell gerät der naive Sternenreisende in die Mühlen der Bürokratie. Durch die hübsche Flora lernt er aber auch die Liebe kennen. Heinz Rühmann fungierte hier gemeinsam mit Alf Teichs als Produzent und übernahm zudem die Hauptrolle in dem Film. DER HERR VOM ANDEREN STERN spiegelt den Zeitgeist im Nachkriegsdeutschland und stellt ein Individuum in den Mittelpunkt, das den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen ohnmächtig gegenübersteht. Heute gehört der Film zu den spannendsten Belegen für die Versuche, Zeitgeschichte abseits des „Trümmerfilms“, mit Hilfe einer heiter-nachdenklichen Parabel zu spiegeln. DER HERR VOM ANDEREN STERN gelangte seinerzeit in zwei Fassungen mit unterschiedlich langem Ende in die Kinos. Das Ende der längeren Fassung, dass eine deutlich gesellschaftskritischere Ausrichtung hat, bildete die Grundlage für die vorliegende Restaurierung. Das kurze Ende, das den Blick mehr auf die privaten Beziehungen der Protagonisten lenkt, wurde als Alternativfassung erhalten.